Arda Fanfiction

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Regen, der auf Asche fällt

von Celebne

Eine königliche Unterhändlerin

Éowyn saß nun alleine in den Gärten und blickte traurig in die Ferne. Am Abend würde Aragorn sie vor allen Räten zum Ritter schlagen. Es würde eine feierliche Zeremonie sein, doch sie hatte ständig Faramirs finsteres Gesicht vor Augen. Er würde ihr heute Abend offen zeigen, was er von ihren Kriegerambitionen hielt. Es würde keine gute Miene zum bösen Spiel geben. Faramir würde aus seinem Unmut keinen Hehl machen. Aus diesem Grund konnte sich Éowyn gar nicht richtig darauf freuen.  

Turgon, ein Mann, der Kriegerrüstungen herstellte, kam zu ihr in die Gärten. Er war groß und kräftig. Die langen Haare hatte er im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Seine nackten Arme waren muskulös vom jahrelangen Schmieden der Rüstungen.
„Herrin,  ich wollte maßnehmen lassen für Euere Rüstung “, sagte er mit seiner tiefen Stimme zu ihr und verneigte sich. „Meine Frau erwartet Euch in der Schmiede.“
Éowyn wusste, dass er für ihre Rüstung eine extra neue Gussform herstellen musste, da sie einen anderen Körperbau als die männlichen Krieger hatte. Sie rief Gwyneren herbei und zusammen begleiteten sie Turgon zu seiner Schmiede, welche im fünften Festungsring der Stadt lag.

Turgons Gemahlin, welche Mardiniel hieß, war im Gegensatz zu ihm klein und untersetzt. Ihre störrischen schwarzen Haare hatte sie unter einem grauen Kopftuch verborgen, wie es viele Frauen in Gondor taten.
Sie musterte Éowyn etwas erstaunt, da sie nie zuvor bei Frau hatte maßnehmen müssen. Die Schildmaid selbst war auch etwas unsicher: damals im Ringkrieg hatte sie sich heimlich eine Männerrüstung genommen, die jedoch aus geschmeidigen Leder gefertigt gewesen war. In Gondor war es jedoch Sitte, Eisenrüstungen zu tragen. Nur die Waldläufer trugen Rüstungen aus Leder.  

Mardiniel nahm Éowyn und Gwyneren mit in eine kleine Kammer und nahm dann mit einem Lederband Maß bei ihr. Sie schrieb die Zahlen mit einem Griffel auf eine kleine Tafel.
„So, Ihr seid fertig, Herrin“, sagte sie kühl. „Wir werden Euch benachrichtigen, wenn die Rüstung fertig ist.“
„Ich hoffe, es dauert nicht zu lange“, meinte Éowyn etwas ungehalten. „Der Feldzug wird vielleicht schon nächste Woche beginnen.“
„Mein Mann tut sein Möglichstes“, erklärte Mardiniel fast empört.
Éowyn wies Gwyneren nun an, der Frau einige Goldstücke zu geben. Plötzlich glättete sich Mardiniels verkniffene Miene und sie bedankte sich überschwänglich bei der Schildmaid.
„Was so ein bisschen Gold alles bewirken kann“, sagte Éowyn leise zu ihrer Zofe beim Hinausgehen.
Gwyneren kicherte verhalten und folgte ihrer Herrin wieder zu den Häusern der Heilung.

„Es ist Besuch für dich da“, erklärte Emerwen mit einem merkwürdigen Grinsen, als Éowyn das große Gebäude betrat.
Die Schildmaid dachte sofort an Faramir und musste schlucken.
„Die Königin erwartet dich in den Gärten“, fuhr Emerwen fort und geleitete Éowyn durch den Korridor.
Gwyneren durfte in die Zitadelle zurückgehen und sollte dort ein Bad für die Schildmaid vorbereiten.

Éowyn war ziemlich erstaunt, dass die Königin extra zu ihr gekommen war. Arwen saß auf einer weißen Marmorbank in den Gärten und genoß die Abendsonne. Die Königin trug ein Sommerkleid aus einem erlesenen blauen Stoff und ihre schwarzen Haare waren an den Seiten zurückgesteckt. Éowyn beneidete die Königin wieder einmal um ihr fabelhaftes Aussehen.
„Sei gegrüßt, Arwen“, sagte die Schildmaid freundlich und verneigte sich kurz.
„Nicht so förmlich, meine Freundin“, meinte Arwen vergnügt. „Wir sind doch sozusagen unter uns.“
„Fast“, erwiderte Éowyn und ihr Blick fiel auf einige Kranke, die langsam in den Gärten umherwanderten und die kühle Abendluft genossen.

Ein kurzes Schweigen trat ein und die Schildmaid begann sich zu fragen, was die Königin eigentlich hier machte. Sie hatte doch eigentlich Gäste aus Arnor zu unterhalten.
„Faramir hat mich geschickt“, begann Arwen schließlich zögernd zu reden.
Éowyn verschränkte die Arme und ihre Miene verfinsterte sich: aha, aus dieser Luke pfiff der Wind!
„Was will denn mein Gemahl von mir?“ fragte die Schildmaid fast spöttisch und fast gleichzeitig bedauerte sie es, dass sie solch einen Ton bei ihrer Freundin, der Königin, anschlug.
„Du weißt ja, dass  Faramir die Sache mit dem Kriegszug nicht recht ist“, meinte die Königin traurig. „In gewisser Weise kann ich ihn sogar verstehen. In unserer Welt ist es nun mal so, dass die Männer in den Krieg ziehen und die Frauen zu Hause bleiben. Mich gelüstet es nicht, in den Krieg zu ziehen. Ich versuche auch dich zu verstehen, Éowyn, aber es gelingt mir nicht immer.“

Sie ist eine Elbin, dachte Éowyn verbittert. Sie durfte eine richtige Kampfausbildung genießen. Ich musste alles immer in Heimlichkeit tun. Sie kann sich nicht in mich hineinversetzen. Sie hat schließlich mein Leben nicht gelebt.

Arwen sah ihrer Freundin an, was sie dachte, und das Herz wurde ihr schwer.
„Du kannst mich nicht umstimmen“, sagte Éowyn schließlich finster. „Es scheint wohl meine Bestimmung zu sein, mich immer wieder aufs Neue beweisen zu müssen.“
„Aber du musst dich nicht beweisen“, erwiderte die Königin erschrocken und ergriff die Hände der blonden Frau. „Wir alle wissen, was in dir steckt. Und am allerbesten tut dies dein Gemahl Faramir.“
„Dieser Feldzug ist für mich etwas ganz Besonderes“, fuhr Éowyn fort und zog ihre Hände aus Arwens Umklammerung weg. Sie erhob sich jetzt sogar von der Bank und wanderte ruhelos in der Wiese hin und her. „Wenn ich ruhmreich zurückkehre, werden mich alle anerkennen. Und vor allem wird dies Faramir tun. Vielleicht ist dieser Feldzug eine Möglichkeit, meine Ehe zu retten.“

Arwen krauste die glatte Stirn, als sie das vernahm. Offensichtlich kannte Éowyn ihren Gemahl wirklich schlecht, wenn sie so etwas dachte. Aber bevor sie etwas antworten konnte, kam Gwyneren in die Gärten und erklärte, dass das Bad in der Zitadelle gerichtet sei.
„Ich muß jetzt gehen, Arwen“, sagte Éowyn ernst. „Vielleicht kann ich das alles Faramir selbst noch einmal behutsam erklären.“
„Warte – ich gehe auch mit zurück“, meinte Arwen und erhob sich von der Marmorbank.

Gwyneren betrat zusammen mit Éowyn den Baderaum, der bei den Gemächern der  Truchsessfamilie lag. Der große Waschzuber war mit heißem Wasser gefüllt und duftende Blütenblätter schwammen darin herum. Die Zofe half ihrer Herrin beim Entkleiden und steckte ihre blonde Haarpracht hoch. Vorsichtig stieg Éowyn in den großen Zuber und genoß das angenehm temperierte Wasser.
„Du kannst jetzt gehen, Gwyneren“, sagte sie zufrieden zu ihrer Zofe.
Diese nickte und verließ leise den Raum. Éowyn machte es sich bequem in dem Zuber und schloß entspannt die Augen. Kurz darauf ging die Tür wieder auf und sie fuhr erschrocken hoch.

„Faramir, was tust du denn hier?“ fragte sie empört und setzte sich so im Zuber hin, dass man ihre Blöße nicht sehen konnte.
„Früher hat es dich nicht gestört, wenn ich beim Baden hereinkam“, meinte Faramir mit einem schiefen Grinsen und setzte sich auf einen Holzschemel neben dem Zuber.
„Hast du wieder getrunken?“ fragte Éowyn ahnungsvoll und rückte so weit, wie es im Zuber ging, weg von ihm.
„Ich bin froh, dass diese teuflischen Kopfschmerzen endlich vorüber sind“, sagte er seufzend. „Da werde ich doch nicht schon wieder gleich was trinken.“
„Kannst du mich nicht in Ruhe baden lassen?“ meinte Éowyn fast ein wenig verzweifelt. „Ich möchte möglichst pünktlich zum Nachtmahl erscheinen.“
„Tu dir keinen Zwang an“, bemerkte Faramir mit einem spöttischen Lächeln.
„Kannst du bitte gehen?“ fragte seine Gemahlin, während sie mit den Tränen kämpfte.

„Du mutest dir zuviel zu mit dem Feldzug“, sagte er ernst, während er sich erhob. „Sieh dich an: du wiegst nur halb so viel wie ein kräftiger Krieger. Ein Ritt mit dem Heer nach Harad ist alles andere als Honigschlecken. Da war der Ritt der Rohirrim zur Schlacht auf dem Pelennor ein Spaziergang.“
Éowyn warf ihm einen feindseligen Blick zu, als sie das hörte, und wollte einen Einwand erheben.
„Ihr werdet viele Wochen unterwegs sein nach Harad“, fuhr Faramir unbeirrt fort. „Es wird keine Möglichkeit zum Waschen geben. Die Männer werden dich niemals wie ihresgleichen betrachten. Du wirst isoliert sein.“
„Das war ich bei dem Ritt zur Schlacht auf dem Pelennor auch“, erwiderte Éowyn feindselig und blitzte Faramir wütend an.

„Aber da wusste niemand, dass du eine Frau bist“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Die Männer des Heeres werden dich mit lüsternden Blicken verfolgen. Sie werden eine Gelegenheit herbeisehnen, um dich nackt zu sehen. Du wirst niemals Ruhe vor ihren Blicken haben. Sie werden in dir niemals den Krieger sehen, der du gerne sein willst.  Du wirst für sie eine Frau bleiben und das wird dir vielleicht zum Verhängnis werden.“
Für einen kurzen Moment brach Éowyns Widerstand zusammen, denn sie wusste, was es hieß, mit lüsternden Blicken betrachtet zu werden. Sie hatte da jemanden viel zu lange gekannt, der sie mit seinen gierigen Augen immer wieder ausgezogen hatte: Gríma Schlangenzunge.

Faramir trat jetzt noch einen Schritt auf sie zu.
„Ich habe wirklich Angst um dich, Éowyn“, sagte er leise und blickte sie mit seinen klaren, blauen Augen fest an. „Ich habe Angst, dass dir unterwegs etwas passiert.“
Doch da traf er eine empfindliche Stelle bei ihr.
„Ich kann mich gut selbst beschützen, Faramir“, sagte sie unwirsch.
Sie verdrängte die düsteren Bilder, welche er gerade mit seiner Rede heraufbeschworen hatte.
Es wird alles gut werden, redete sie sich ein. Ich habe Freunde bei mir im Heer. Aragorn wird dabei sein. Vielleicht Legolas.

Faramir verließ jetzt endlich den Baderaum und Éowyn atmete auf. Es war höchste Zeit, sich für das Festmahl vorzubereiten. Sie hob das kleine Glöckchen und klingelte nach Gwyneren, die sich irgendwo draußen auf den Gängen herumtrieb.

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