Arda Fanfiction

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Sturmwogen

von Celebne

Neue Spuren

Kurz nach der Verlobung reisten Tindómerel und ihre Eltern zurück nach Lossarnach, während in Minas Tirith die Hochzeitsvorbereitungen begannen. Ein Schneider kam zu Faramir, um ihm ein entsprechendes neues Gewand anzupassen. Der junge Mann war wenig begeistert, während der Mann mit einem Messstock an ihm herumfummelte. Denethor kam hinzu und er grinste schief, als er Faramir stocksteif im Zimmer stehen sah, während der Schneider Maß nahm.

„Vater, ich würde gerne einmal nach Emyn Arnen reiten, um das Haus dort herrichten zu lassen“, meinte Faramir ungeduldig.
„Das habe ich längst veranlasst“, erwiderte der Truchseß gelassen. „Ihr sollt ja schließlich gleich nach der Hochzeit dort hinziehen.“
„Ich hätte das gerne selbst getan“, sagte Faramir aufgebracht. „Schließlich sollen Tindómerel und ich dort leben.“
„Keine Sorge, es wird euch dort gefallen“, meinte Denethor ungehalten. „Du hast als Heermeister Gondors wichtigere Aufgaben, als einen Umbau zu überwachen.“

Faramir schwieg erzürnt. Wieder einmal wurde er von seinem Vater bevormundet.
„Hat man inzwischen schon den Mörder Marachs gefunden?“ fragte der junge Mann schließlich.
„Wie?“ machte Denethor in Gedanken versunken.
Faramir merkte an dieser Gegenfrage, dass sein Vater die Suche nach dem Mörder längst eingestellt hatte, und das ärgerte ihn. In diesem Moment kam ein Bediensteter in das Gemach und bat den Truchseß, in den Thronsaal zu kommen. Das Gespräch zwischen Vater und Sohn hatte sich hiermit erledigt. Als der Schneider mit Faramir fertig war, beschloß dieser, zu Boromir zu gehen.

Der blonde Recke war um diese Tageszeit mit Waffenübungen im sechsten Festungsring beschäftigt. Faramir hatte bereits vermutet, dass sich sein Bruder dort aufhielt. Boromir trank gerade aus einem Weinschlauch, als der jüngere Mann in den Hof kam.
„Na, willst du auch mal wieder kämpfen?“ fragte Boromir belustigt und bedrohte Faramir scherzhaft mit seinem Schwert.
„Mir ist im Moment nicht dannach“, erwiderte Faramir mürrisch und setzte sich in den Sand.

„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“ wollte der Blonde wissen und strich sich das verschwitzte Haar aus der Stirn.
„Vater kann es anscheinend kaum erwarten, mich nach Emyn Arnen zu schicken“, meinte Faramir verbittert, während er mit den Fingern durch den Sand fuhr. „Das Haus ist längst fertig, bereit zum Einzug. Ich wollte es aber selbst nach meinen eigenen Plänen gestalten.“
„Naja, vielleicht wollte Vater dich damit überraschen“, sagte Boromir beschwichtigend und ging neben Faramir in die Hocke.
„Du weißt genau, dass er so etwas nicht tut“, erwiderte der rothaarige Mann traurig lächelnd.
„Ich finde, euer Verhältnis ist seit der Verlobung viel besser geworden“, meinte Boromir nachdenklich und bot Faramir an, von seinem Weinschlauch zu trinken.
Doch dieser lehnte dankend ab und erhob sich. Der blonde Krieger blickte seinem Bruder bedrückt nach, während dieser mit trauriger Miene davonschlich. Er überlegte sich, wie er ihm eine Freude machen konnte, und dann hatte er plötzlich einen wundervollen Einfall.

Faramir hatte nicht das Gefühl, dass das Verhältnis mit seinem Vater besser geworden war. Denethor war nur gutgelaunt, weil er bald einen Anlaß hatte, seinen Zweitgeborenen für immer aus seiner Nähe zu verbannen. Faramir war auch verärgert darüber, dass sein Vater den Mörder Marachs nicht mehr suchen ließ. So eine Sache durfte nicht unaufgeklärt bleiben. Zum unzähligsten Male suchte der junge Mann die Stelle im Garten auf, wo man Marach ermordet aufgefunden hatte. Faramir fragte sich, was der junge Soldat damals dort gewollt hatte, denn als er sich von Tindómerel verabschiedet hatte, war er anschließend in die entgegensetzte Richtung gegangen.

Hatte ihn vielleicht jemand in den Garten gelockt? War es vielleicht jemand gewesen, den Marach gekannt hatte? Faramir mußte bei seiner Suche geschickt vorgehen, damit sein Vater nicht wieder etwas davon mitbekam. Als der junge Mann nachdenklich wieder zur Zitadelle zurückging, begegnete ihm ein Gärtner. Faramir hatte den Mann bisher noch nie hier in den Gärten gesehen.
„Seid Ihr hier neu?“ fragte er den Gärtner sofort.
„Ja, Herr“, erwiderte der Mann, der mittleren Alters war, höflich. „Ich arbeite seit drei Wochen hier.“
Faramir stutzte: vor drei Wochen etwa war der Mord geschehen. Das war ja merkwürdig!

„Wißt Ihr zufällig, was mit Euerem Vorgänger geschehen ist?“ wollte Faramir wissen.
„Man sagt, er sei verschwunden“, meinte der Gärtner verlegen. „Etwas genaues kann ich Euch nicht sagen. Da müsst Ihr den Hofverwalter Theron fragen.“
Faramir war jetzt richtig neugierig geworden. Theron war ein Vertrauter seines Vaters und natürlich konnte es gut sein, dass dieser dem Truchseß Bericht erstatten würde, wenn der junge Mann zu viele Fragen stellte. Er mußte also geschickt vorgehen.

Theron saß in einer kleinen Schreibstube in einem Nebengebäude der Zitadelle. Er war schon ein etwas älterer Mann mit halblangem, schwarzen Haar und einem kurzgeschnittenem Bart. Er blickte erstaunt von seinem Buch hoch, in welchem er gerade schrieb, als Faramir hereinkam.
„Ich habe mich gerade gewundert, dass wir einen neuen Gärtner haben“, plauderte der junge Mann gleich unbefangen los. „Wo steckt denn eigentlich Argond, der alte Gärtner? Ist er krankgeworden?“
Theron fuhr sich durch das Haar und seufzte.
„Das ist eine komische Geschichte mit Argond“, sagte er leise. „Er verschwand an dem gleichen Abend, als dieser Mord an dem unglückseligen Jungen geschah.“
„Das ist in der Tat merkwürdig“, stimmte Faramir ihm zu. „Aber ich schulde ihm noch etwas Geld, da er mir ein Willkommensgeschenk für meine Verlobte besorgt hatte. Und ich schulde nicht gerne jemanden Geld.“

„Vielleicht ist Argond wieder nach Celadh Ivrin zurückgekehrt, seinem Heimatdorf“, meinte Theron nachdenklich. „Ihr könnt ihm das Geld dann dorthin bringen lassen.“
Faramit atmete auf, dass ihm der Verwalter seine kleine Lügengeschichte glaubte. Er verabschiedete sich von ihm und beschloß, so bald wie möglich in das kleine Dorf, welches südlich der Pelennorfelder lag, zu reiten.

Doch Denethor machte ihm einen Strich durch die Rechnung, als Faramir sich am nächsten Morgen dorthin aufmachen wollte.
„In Ithilien wurden Orkbanden gesichtet“, sagte er beim Frühstück zu dem jungen Mann. „Ich möchte, dass du mit den Waldläufern dorthin aufbrichst und nach dem Rechten siehst.“

„Ich halte das für keinen guten Einfall“, warf Boromir ein, der merkte, dass sein Bruder wenig Begeisterung dafür zeigte. „Wenn ihm noch kurz vor der Hochzeit etwas zustößt, das wäre nicht auszudenken.“
„Ich kann Faramir nicht extra schonen, nur weil er jetzt heiratet“, meinte Denethor ungehalten und blickte seinen Ältesten mit funkelnden Augen an. „Oder sollen die Orks in der Zwischenzeit Ithilien erobern?“
„Schon gut, ich will mich ja auch nicht weigern“, sagte Faramir mit beherrschter Stimme und erhob sich vom Frühstückstisch, ohne einen Bissen gegessen zu haben.
Er verabschiedete sich kurzangebunden von seinem Vater und verließ das kleine Gemach, wo die Truchsessfamilie gewöhnlich ihr Frühstück einnahm.

Faramir ging zurück in sein Gemach, um seine lederne Waldläuferrüstung anzuziehen. Anschließend holte er seinen Langbogen und den Köcher mit den Pfeilen, welches alles in einer Ecke seines Gemaches stand. Kaum war er fertig, klopfte es an der Tür.
„Komm herein, Boromir“, sagte Faramir mürrisch.
„Das passt dir jetzt gar nicht, dass du nach Ithilien musst, oder?“ fragte Boromir neugierig.

„Unter anderen Umständen wäre ich sogar gerne gegangen“, erwiderte der jüngere Mann ungehalten und berichtete seinem Bruder, was er eigentlich an diesem Tag vorgehabt hatte.
„Oh, diese Mordsache geht dir wohl nicht aus dem Kopf“, meinte Boromir amüsiert.
„Aber wenn du willst, kann ich für dich nach Celadh Ivrin reiten und mich nach Argond erkundigen.“
Faramirs Augen leuchteten auf.
„Das würdest wirklich tun?“
„Natürlich, ich bin ja noch beurlaubt“, sagte Boromir grinsend. „Ist mal eine hübsche Abwechslung zu den ewigen Waffenübungen.“
„Als würde dich das Kämpfen langweilen“, meinte Faramir belustigt und schlug ihm auf die Schulter. „Ich danke dir jedenfalls.“

Die Wege der Brüder trennten sich: während der jüngere Mann zu seinen Waldläufern, die im vierten Festungsring vor ihren Quartieren auf ihn warteten, hinabging, ließ Boromir seinen Rappen satteln. Faramir winkte ihm zu, als er ihn und seine Waldläuferschar unten vor dem Stadttor überholte.
Boromir freute sich, dass er seinem Bruder in dieser Sache helfen konnte und noch mehr, dass er zwei Überraschungsgäste schriftlich zur Hochzeit Faramirs eingeladen hatte, worüber dieser sich bestimmt sehr freuen würde, und so machte er sich gutgelaunt auf den Weg nach Celadh Ivrin auf. Doch dort sollte er etwas erfahren, das ihn in ein schlimmes Dilemma bringen würde.

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