Arda Fanfiction

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Sturmwogen

von Celebne

In der Zwickmühle

Boromir ritt frohgemut über die noch frühlingshaft wirkenden Pelennorfelder. Die weiten Wiesen waren von bunten Blumen übersäht und das Gras war saftig und grün. Doch bald würde der heiße, trockene Sommer Gondors kommen und die Wiesen würden dann ihr sattes Grün verlieren. Doch an solche Dinge dachte der junge Krieger weniger, als er über das Gras preschte Richtung Celadh Ivrin. Er kannte Argond nur flüchtig, denn in den Gärten hielt sich Boromir nur selten auf.
Celadh Ivrin war ein sehr kleines Dorf, welches direkt am Anduin lag. Die wenigen Häuser waren aus Stein gebaut und die Dächer waren mit rotbraunen Ziegeln gedeckt. Aus den Kaminen stieg Rauch auf und eine Schar Kinder in bunten Kleidern lief fröhlich spielend auf dem Dorfplatz herum. Als Boromir angeritten kam, rannten ihm die Kinder neugierig entgegen. Der junge Krieger hielt sein Pferd mitten auf dem Dorfplatz an und fragte einen Knaben nach Argond.

Der Junge blickte Boromir erschrocken an und lief dann plötzlich davon.
„He, bleib stehen, ich tu dir doch nichts!“ rief ihm der blonde  Krieger verwundert hinterher.
„Das ist Glirhuin, Argonds kleiner Bruder, Herr“, erklärte ein anderer Knabe schüchtern.
„Warum rennt er weg?“ wollte Boromir wissen und fuhr sich kopfschüttelnd durch das helle Haar.
„Weil Argond ein dunkles Geheimnis mit sich trägt“, sagte plötzlich eine junge Frau, die sich Boromir von hinten näherte.

Boromir stieg jetzt vor sich hinbrummend vom Pferd. Er spürte, dass hier etwas nicht stimmte. Die junge Frau wich langsam vor ihm zurück.
„Bitte lauft nicht auf noch weg“, sagte er so sanft wie möglich zu ihr. „Es ist wichtig, dass ich Argond finde. Mein Bruder schuldet ihm noch etwas Geld.“
Die Frau lächelte grimmig.
„Argond hat jetzt genug Geld“, meinte sie abfällig. „Er braucht das Eueres Bruders nicht mehr.“
„Und woher hat er das Geld?“ hakte Boromir sofort nach.
Die junge Frau fühlte sich in die Enge getrieben und schwieg.
Der blonde Krieger verlor jetzt seine Geduld und er packte die Frau grob am Arm.

„Ich muß alles genau wissen, versteht Ihr?“ sagte er fast im Flüsterton zu ihr. „Es geht um einen Mord.“
„Oh nein, ich habe es geahnt!“ stieß das Mädchen unglücklich hervor. „Kommt mit!“
Boromir ließ sie wieder los, damit ihn die junge Frau ungehindert zu einem der Bauernhäuser führen konnte. Das Haus war weiß angestrichen und wirkte sehr einladend.
Sie zeigte mit dem Finger darauf.
„Dort wohnt Argonds Familie. Versucht mit ihnen zu reden, wenn Ihr könnt.“

Boromir ließ sich das nicht zweimal sagen. Er wollte Faramir schließlich helfen. Doch tief in seinem Herzen regte sich ein entsetzlicher Verdacht: hatte etwa Denethor mit dem Mord zu tun? Es gab einiges, was darauf hinwies. Boromir kam ins Schwitzen, wenn er näher darüber nachdachte. Sein Vater hätte natürlich einen Grund gehabt, Marach sozusagen aus dem Weg zu schaffen. Doch andererseits konnte der Truchseß eigentlich nichts von diesem Verhältnis zwischen Marach und Tindómerel wissen. Selbst Faramir hatte nur aus Zufall davon erfahren.

Boromir klopfte mit schwitzenden Fingern an die Tür des Bauernhauses. Ein alter Mann mit müden Augen öffnete ihm.
„Was wünscht Ihr, mein Herr?“ fragte der Alte mit schleppender Stimme.
„Seid Ihr Argonds Vater?“ wollte Boromir sofort wissen.
„Ja, der bin ich“, erwiderte der Alte. „Ich bin Elatan und Argond ist mein ältester Sohn.“
Der kleine Glirhuin trat jetzt neben seinen Vater hin und blickte Boromir ängstlich mit großen, grauen Augen an.
„Argond ist plötzlich aus Minas Tirith verschwunden“, erklärte der junge Krieger vorsichtig. „Er war Herrn Denethors Gärtner.“

„Ja, das war eine sehr gute Stellung“, seufzte der alte Mann bedrückt und sah betreten zu Boden. „Eigentlich hätte er hier den Hof übernehmen sollen, aber Argond interessierte sich zu sehr für Blumen und Pflanzen. Er ging dann eines Tages von selbst in die Stadt und bewarb sich beim Truchseß persönlich als Gärtner. Wir waren stolz auf ihn.“
„Waren?“ bohrte Boromir nach, der merkte, dass Elatan irgendetwas vor ihm verbarg.
„Ich möchte nicht darüber reden“, sagte der Alte herumdrucksend und machte Anstalten, die Tür vor der Nase des Kriegers zuzumachen.

Doch Boromir stellte seinen Fuß in die Tür. Er wollte jetzt die Lösung all dieser Rätsel wissen. Eher ging er von hier nicht mehr fort.
„Bitte, Herr, verlasst meinen Hof wieder“, bat Elatan fast flehend.
Der junge Krieger schlug jetzt seinen Mantel zurück, so dass man sein großes, silberbeschlagenes Horn sehen konnte, das er am Gürtel trug.
„Ich möchte jetzt die Wahrheit wissen“, sagte er streng. „Ich bin Boromir, Denethors Sohn, und ich habe ein Recht zu erfahren, was Argond mit dem Mord in meines Vaters Gärten zu tun hat.“

Glirhuin fing an zu weinen und rannte in das Haus hinein. Elatan war ganz blaß geworden. Seine Unterlippe zitterte, während er nach Worten rang.
„Mein Sohn ist nicht mehr hier“, stieß er schließlich hervor. „Ihr kommt zu spät, Herr Boromir.“
Mit diesen Worten stieß er mit einer Kraft, die man seinem abgezehrten Körper gar nicht mehr zugetraut hätte, die Tür vor Boromirs Nase zu.  
Den jungen Mann packte jetzt eine unglaubliche Wut: so etwas ließ er sich nicht bieten – vor ihm, den großen Heerführer Gondord schlug man nicht ungestraft eine Tür zu! Bevor er jetzt die Tür wieder aufreißen konnte, schlüpfte rasch ein junges Mädchen heraus, packte ihn am Ärmel und zerrte ihn ein Stück vom Haus fort.

„Vergebt meinem Vater“, sagte sie leise. „Er wird wohl über diese Sache niemals hinwegkommen – so wie wir alle.“
„Könnt Ihr mir jetzt bitte erzählen, was genau mit Argond los ist?“ wollte Boromir ungehalten wissen und machte sich vom Handgriff des Mädchens, welche Silinde hieß, los.
Silinde ging schweigend hinunter zum Fluß und Boromir folgte ihr.
„Könnt Ihr nun endlich sprechen?“ fragte er harsch, während sie sich durch das Ufergebüscht kämpften.
„Hier kann uns niemand hören“, sagte Silinde endlich und hielt an.

Sie drehte sich zu Boromir um und in ihren grauen Augen schimmerten Tränen.
„Ich hatte nie geahnt, dass mein Bruder zu solch einer Tat fähig ist“, begann sie stockend. „Er kam vor ungefähr drei Wochen zu uns. Seine Taschen waren prall gefüllt mit Geld und Schmuck. Er wollte nur Abschied von uns nehmen, denn er befand sich auf der Flucht. Es dauerte, bis er endlich mit der Sprache herausrückte und erzählte, dass er einen Menschen getötet hatte – für Geld.“
„Ich muß wissen, wer ihm den Auftrag gab“, drängte Boromir mit heiserer Stimme. „Hat er irgendeinen Namen erwähnt?“

„Das tat er nicht“, erwiderte Silinde. „Meiner Mutter und mir gab er etwas von dem Schmuck zum Abschied. Mutter wollte nichts annehmen, weil angeblich Blut an dem Gold klebt. Aber ich nahm eine Halskette, die mir sehr gefiel.“
Sie griff in ihre Schürzentasche und zog das Schmuckstück heraus. Boromirs Herz setzte einen Takt aus, als er Tindómerels hübsche Halskette mit dem blauen Edelstein erkannte, die sie am ersten Abend getragen hatte. Er erinnerte sich, dass er diese Kette dannach nie wieder an ihr gesehen hatte. Ein furchtbarer Verdacht keimte in ihm auf und er wich entsetzt vor Silinde zurück.
„Wißt Ihr nun, wer meinem Bruder diesen unheilvollen Auftrag gab?“ fragte das Mädchen überflüssigerweise.

„Gebt mir die Kette“, sagte Boromir tonlos und streckte seine Hand aus.
Silinde gab sie ihm und blickte ihn erwartungsvoll an.
„Was werdet Ihr nun tun?“ wollte sie wissen. „Werdet Ihr meinen Bruder jagen?“
Boromir lächelte gequält.
„Nein, dazu war der Ermordete leider zu unwichtig. Die Auftraggeberin des Mordes ist es allerdings nicht.“
Er ließ die Kette in einen kleinen Lederbeutel am Gürtel gleiten und ging zu seinem Pferd. Tausend Gedanken jagten durch seinen Kopf, als er aufsaß und davonritt. Er war so mit sich beschäftigt, dass er ganz vergaß, sich von Silinde zu verabschieden.
War Tindómerel tatsächlich eine Mörderin? War sie wirklich dazu fähig, den Mann, den sie angeblich geliebt hatte, zu töten? Boromir fragte sich, wie er das Faramir beibringen sollte. Sollte er vielleicht die ganze Sache besser verschweigen?

***



Faramir war inzwischen mit seinen Mannen in Ithilien angekommen. Eigentlich liebte er dieses Land mit seinen lieblichen Wäldern und Hügeln über alles, doch dieses Mal wäre er gerne daheimgeblieben, um seine Nachforschungen weiterbetreiben zu können.
Er ließ seine Männer in der Nähe eines kleinen Baches rasten und setzte sich selbst etwas abseits, um ungestört nachdenken zu können. Während er in Gedanken versunken auf etwas Dörrfleisch herumkaute, kamen zwei Kundschafter hereingeeilt und meldeten, dass sich ganz in der Nähe ein Orkverband aufhielt. Faramir schreckte hoch aus seinen Gedanken. Madril, sein Unterhauptmann, ging besorgt auf ihn zu.

„Wenn wir nicht schnell etwas unternehmen, umzingeln uns die Unholde, Faramir!“
Der junge Heermeister erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung und ergriff seinen Langbogen.
„Wir müssen sofort diese Waldlichtung verlassen, sonst schießen uns die Orks ab wie die Hasen“, rief er seinen Männern zu.
Er setzte die Kapuze seines tarnfarbenen Umhangs auf und die Waldläufer taten es ihm gleich. Die Männer räumten die Lichtung und verbargen sich im Unterholz. Durch ihre grünen Mäntel waren sie dort nur schwer auszumachen, vor allem von den Orks, die zwar einen guten Geruchssinn hatten, aber schlechte Augen.

Es dauerte nicht lange und eine Bande der Unholde aus Mordor kam auf die Lichtung geschlichen. Sie schnüffelten argwöhnisch herum.
„Ich rieche Menschenfleisch“, sagte einer von ihnen auf Westron.
Faramir blickte Madril, der neben ihm in den Büschen kauerte, erstaunt an. Normalerweise redeten Orks immer in der schwarzen Sprache Mordors. Madril wies stumm auf  einige Trolle hin, welche die kleineren Orks begleiteten. Anscheinend sprachen diese Ungeheuer einen anderen Dialekt und die Orks mussten sich deshalb der gemeinsamen Sprache bedienen. Faramir blickte besorgt auf die drei Trolle. Es würde nicht einfach sein, diese riesigen Kerle zu vertreiben, geschweige denn zu töten.

Doch er gab jetzt das Zeichen zum Angriff, denn einige Orks waren auf der Waldlichtung zu leichtsinnig geworden und hatten sich ins Gras gesetzt, die Waffen neben sich liegend. Das war ein günstiger Moment für einen Überraschungsschlag.
Eine Pfeilsalve surrte aus dem Unterholz. Einige Orks sanken getroffen ins Gras. Der eine Troll bäumte sich wütend auf und riß sich die Pfeile aus seinem schuppenartigen Harnisch, den er trug. Er brüllte zornig dabei. Weitere Pfeile flogen und erneut wurden Orks getroffen.

Faramir zog jetzt sein Schwert.
„Für Gondor!“ schrie er und sprang aus dem Gebüsch.
Seine Männer taten es ihm gleich und sie drangen mit Schwertern und Lanzen auf die Orks ein.
Faramir kämpfte verbissen gegen die Feinde. Nicht umsonst war er neben seinem Bruder der beste und kühnste Krieger Gondors. Es gelang ihm, einen der angeschlagenen Trolle alleine mit einem exzellenten Schwertstreich zu besiegen. Ein anderer jedoch stellte sich im in den Weg, um seinen Artgenossen zu rächen, und Faramir mußte langsam zurückweichen, während er den Troll mit seinem Schwert in Schach hielt. Der große Unhold kämpfte mit einem kurzen Breitschwert, welches in Mordor geschmiedet worden war. Doch plötzlich stolperte Faramir und fiel hart auf den Rücken. Geschickt wich er aber dem tödlichen Hieb des Trolls aus. Der junge Anborn drängte das Ungeheuer mit seiner Lanze zurück und half Faramir auf die Beine. Im gleichen Moment kam eine Axt angeflogen, direkt auf Anborn.

„Vorsicht!“ schrie Faramir und riß den jüngeren Mann mit sich zu Boden.
Die Axt landete hinter den Beiden im Gras. Der Troll drang nun wieder auf Faramir ein, der vom Boden aus geschickt den mächtigen Hieb mit dem Schwert parierte. Der junge Heermeister fühlte entsetzliche Schmerzen in seinem Arm. Der Troll hatte viel Kraft in diesem Hieb gelegt. Faramir mußte sein Schwert fallen lassen, doch Anborn schlug dem Troll in diesem Augenblick beherzt das Breitschwert aus der großen Hand.

Der Troll brüllte grässlich auf vor Wut. Er packte die beiden Waldläufer mit seinen riesigen Armen, als ob es Kinder seien und schleuderte sie durch die Gegend. Faramir krachte gegen einen Baum und er spürte, wie sein rechtes Schulterblatt dabei brach. Er sackte bewusstlos zusammen.

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