Arda Fanfiction

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Sturmwogen

von Celebne

Faramirs Freunde

Die Wochen vergingen und der Truchseß wurde nervös, weil Faramirs Heilung nur langsam Fortschritte machte. Immerhin konnte der junge Mann inzwischen aufstehen und ein  bisschen in den Gärten spazieren gehen. Boromir verbrachte jede freie Minute bei seinem Bruder und versuchte ihn aufzumuntern. Faramir war tief betroffen gewesen, weil der Truchseß sich so kalt verhalten hatte. Denethor besuchte seinen jüngsten Sohn nur selten. Nachdem ihm Boromir bittere Vorwürfe gemacht und ihn darauf hingewiesen hatte, dass sein harsche Art nicht besonders gut für den Heilungsverlauf wäre, hatte sich Denethor bei seinen nächsten Besuchen etwas freundlicher gezeigt, was Faramir sehr gefreut hatte. Doch inzwischen war es schon einige Zeit her, dass der Truchseß zuletzt bei seinem Sohn gewesen war.

„Vater will immer noch, dass die Hochzeit am 25. Cermië*  stattfindet“, sagte Boromir seufzend, als er seinen Bruder durch die Gärten begleitete.
Faramir nickte mit finsterer Miene: er trug eine weite Tunika aus grobem Stoff und sein rechter Arm ruhte in einer Schlinge, denn seine Schulter war nach wie vor dick bandagiert.
„Soll ich vielleicht so als  Hochzeiter auftreten?“ fragte Faramir spöttisch. „Ich kann ja nichts anderes anziehen als diese sackähnliche Tunika, die groß genug ist, um die Verbandschichten zu bedecken.“
Boromir kicherte schalkhaft  vor sich hin.

„Warum nicht?“ witzelte er und pflückte eine Mohnblume ab, die im Garten wuchs.
Er befestigte sie an den Verschnürungen von Faramirs grauer Tunika.
„Das sieht gar nicht übel aus“, meinte er begutachtend. „Faramir von Gondor trägt bei seiner Hochzeit ein völlig ungewöhnliches Gewand. Die Menschen von Minas Tirith werden noch in Jahrzehnten darüber sprechen.“
Faramir mußte jetzt herzlich auflachen. Boromir wusste ihn wirklich gut aufzuheitern.

„Du hast mir übrigens immer noch nicht erzählt, was du in Celadh Ivrin herausgefunden hat“, sagte Faramir nach einer Weile. „Jedes Mal, wenn ich dich deswegen fragen will, musst du weg. Verschweigst du mir irgendetwas, Boromir?“
Der blonde Krieger sah betreten zu Boden: er wollte jetzt nicht, dass Faramir seinen Geist erforschte.
„Ich war dort – ja“, begann er schließlich zögernd. „Aber das, was ich herausgefunden habe, muß nicht unbedingt die Wahrheit sein.“
Er blickte Faramir in die Augen und dieser erkannte, dass diese Sache Boromir sehr belastete.
„Ich habe unserem Vater einen Eid schwören müssen, dass ich dir nichts sage“, platzte es schließlich aus ihm heraus. „Kannst du dir vorstellen, was in mir vorgeht?“
„Dann muß ich zusehen, dass ich das selbst herausfinde“, meinte Faramir erschüttert.„Ich will dich nicht länger bedrängen.“

In diesem Moment kam ein Heilwart in den Garten und meldete, dass Besuch für Herrn Faramir gekommen sei.
„Wer kann das sein?“ fragte Faramir erstaunt.
Im ersten Moment konnte sich Boromir auch keinen Reim darauf machen, wer dieser Besuch war. Doch dann fiel ihm siedendheiß ein, dass er Hochzeitseinladungen nach Bruchtal und zum Erebror geschickt hatte.
„Laßt sie in den Garten kommen!“ befahl Boromir aufgeregt.
„Weißt du, wer das ist?“ wollte Faramir neugierig wissen.
„Es ist eine Überaschung“, sagte der Blonde mit einem breiten Grinsen.

Und dann kamen ein Elb und ein Zwerg in den Garten. Der schwarzhaarige Noldo, der ein Vetter des berühmten Erestor war, hatte ein ebenmäßig schönes Gesicht und helle, graue Augen. Bekleidet war er mit einem olivgrünen Reisegewand und auf seinem Rücken trug er einen kleinen Bogen. Der Zwerg hatte rotbraunes Haar und einen langen Bart, in welchem sich schon das erste Grau zeigte. Er trug eine Zwergenrüstung, die teilweise aus Mithril gearbeitet war. Seine Waffe war eine Axt. Zusammen mit einem kleinen Schild hatte er sie an seinen Körper gebunden. Das ungleiche Freundespaar hatte vor vielen Jahren einige aufregende Abenteuer mit Faramir bestanden.

„Meneldil! Thalin!“ rief Faramir erfreut aus und ging vorsichtig auf seine Freunde zu.
„Laß dich ansehen, Junge!“ sagte Thalin strahlend und er verdrückte ein paar Freudentränen. „Aus dir ist ja ein richtiger Mann geworden!“
„Diesen Tag habe ich lange herbeigesehnt“, meinte nun der Elb in seiner zurückhaltenden, besonnenen Art. „Die Jahre gingen nicht spurlos an dir vorüber mein Freund.“
Der Zwerg klopfte auf Faramirs linken Arm und Meneldil legte seine Hand auf seine gesunde Schulter.

„Was machst du denn wieder für Sachen, Junge“, schalt Thalin den jungen Mann. „Als wir dich damals verließen, warst du auch in den Häusern der Heilung. Ich hoffe, dass du in der Zwischenzeit auch mal wieder draußen warst.“
Alle lachten schallend. Jetzt begrüßte auch Boromir Faramirs Freunde.
„Ich werde mich zurückziehen, dann könnt ihr in Ruhe plaudern“, meinte er lächelnd.
„Boromir, das ist wirklich eine großartige Überraschung“, sagte der jüngere Mann glücklich und umarmte seinen Bruder kurz. „Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.“
„Ich habe sie zu deiner Hochzeit eingeladen“, brummte Boromir verlegen. „Falls sie noch stattfindet. Aber jetzt lasse ich euch mal alleine.“

Faramir hatte seinen Freunden viel zu erzählen. Jedoch vermied er, über seine Hochzeit zu sprechen. Der unaufgeklärte Mord an Marach, der wahrscheinlich getötet worden war, um dem Brautpaar nicht im Wege zu stehen, war für Faramir eine große Belastung. Dazu kam noch, dass Boromir irgendetwas über den Mörder wusste, und durch seine Eid gebunden war.
Meneldil merkte mit seinen feinen Sinnen sehr schnell, dass Faramir etwas bedrückte. Natürlich wollte er nicht nachbohren. Er hoffte, dass der junge Mann von selbst etwas von seinen Problemen erzählte. Jedoch war Thalin derjenige, der das Gespräch auf die Hochzeit lenkte.

„Ist sie denn schön, deine Braut?“ wollte er wissen.
Faramir lachte verlegen, während Meneldil wieder einmal innerlich den Zwergen verwünschte für seine vorlaute Frage.
„Sie heißt Tindómerel“, erklärte der junge Mann lächelnd.  
„Die Tochter der Dämmerung“, sagte der Elb mit leuchtenden Augen. „In Gondor liebt man anscheinend Quenya-Namen.“
Faramir grinste, denn er wusste worauf Meneldil anspielte: sein Namen war ja auch aus dem Quenya und bedeutete „Juwel der Jagd“.
Sie gingen noch eine Weile in den Gärten spazieren und plauderten. Auch der Elb und der Zwerg hatten einige Neuigkeiten aus dem Norden Mittelerdes zu berichten. Meneldil erzählte, dass sich bereits viele Elben auf dem Weg nach Mithlond aufmachten. Das stimmte Faramir traurig: das Schöne Volk würde also bald diese Welt verlassen.

„Aber du wirst doch bleiben, oder?“ fragte er Meneldil hoffnungsvoll.
„Ein wenig Zeit habe ich noch“, sagte der Elb lächelnd.
„Da habe ich auch ein Wörtchen mitzureden“, murrte Thalin. „Hier fährt niemand ohne meine Erlaubnis nach Valinor.“
Alle Drei lachten schallend und dann begann der Magen des Zwerg laut zu knurren.
„Ihr zwei müsst bestimmt Hunger und Durst haben“, bemerkte Faramir verlegen.
„Ich werde den Heilwart anweisen, euch etwas bringen zu lassen.“
„Das ist nicht nötig, Faramir“, sagte Meneldil lächelnd. „Boromir hat uns eine Unterkunft besorgt. Wir werden im Gasthof ‚Grauer Drache’, der im vierten Festungsring liegt, speisen und schlafen.“

Faramir war beruhigt, als er das hörte. Auf diese Weise würden seine Freunde nicht so schnell auf seinen Vater treffen. Der Truchseß würde bestimmt nicht begeistert von diesen Hochzeitsgästen sein. Insgeheim hoffte Faramir auch, dass Mithrandir, der alte Zauberer, zur Hochzeit kommen würde. Vielleicht hatte ja Boromir ihm auch eine Nachricht zukommen lassen. Doch wer wusste schon genau, wo sich Gandalf herumtrieb. Er blieb nie allzu lange an einem Ort.

Meneldil wollte Faramirs Schulter ansehen, bevor er mit Thalin in den Gasthof hinunterging. Im Beisein von Ioreth, die ganz hingerissen von dem Elben war und plötzlich ganz und gar nicht mehr herrisch wirkte, wickelte Meneldil geschickt die Verbände auf. Die Elben waren bekannt für ihre Heilfähigkeiten und Ioreth hoffte, dass sich durch die Hilfe des Erstgeborenen Faramirs Schulter rasch bessern würde. Noch immer war die Stelle geschwollen und der junge Mann spürte noch Schmerzen. Doch Meneldil machte ihm einen Kräuterumschlag aus getrockneten Pflanzen, die er in einem kleinen Beutel bei sich hatte. Es waren Kräuter  aus Elronds Garten.
„In einer Woche wirst du völlig gesund sein, Faramir“, versprach der Elb.
„Das wäre ein Wunder“, stieß Ioreth verblüfft hervor und schlug die Hände vor dem Mund zusammen.

Als Meneldil und Thalin die Häuser der Heilung verließen, wurde Faramir traurig. Er dachte an die damalige Zeit zurück, als er mit den Beiden auf Kelchsuche gegangen war. Jetzt war alles anders. Diese Ehe mit Tindómerel kam ihm vor wie ein Joch, welches er tragen mußte. Er würde bald eine eigene Familie haben. Irgendwie fühlte sich Faramir noch zu jung dafür. Es war für Menschen numenórischer Abstammung unüblich, sich zu binden, bevor sie das dreißigste Lebensjahr vollendet hatten. Und Faramir hatte sehr viel von Numenór in sich.

Der junge Mann sah seine Freunde zwei Tage lang nicht wieder. Boromir berichtete ihm, dass er die Beiden nach Ithilien geschickt hatte, damit sie sich dort die schöne Gegend ansehen konnten. Inzwischen war es dort wieder sicherer. Die Waldläufer hatten zusammen mit Unterhauptmann Madril gute Arbeit geleistet.
„Hier in Minas Tirith könnten sie zu leicht Vater oder einem seiner Berater begegnen“, erklärte Boromir nachdenklich.
Er erzählte Faramir, dass inzwischen auch Fürst Imrahil und einige andere Edelmänner aus Gondor eingetroffen war.

„Unser Onkel ist hier?“ fragte Faramir erstaunt. „Warum besucht er mich nicht?“
„Keine Bange, er kommt schon noch“, beruhigte Boromir ihn. „Er ist ja erst gestern nacht eingetroffen. Er hat übrigens die kleine Lothiriel dabei. Sie ist vor kurzem zehn Jahre alt geworden.“
„Wer kommt denn noch alles?“ wollte der jüngere Mann jetzt interessiert wissen.
„Aus Rohan wird auch eine Gesandtschaft erwartet“, fuhr Boromir eifrig fort. „Sie wird auch bald ankommen. Freust du dich?“
„Freuen?“ wiederholte Faramir mit einem gequälten Lächeln. „Womöglich ist auf dieser Hochzeit ein Mörder anwesend. Deine Schweigepflicht quält mich. Ich kann Tindómerel nicht heiraten, bevor ich nicht weiß, wer Marach umgebracht hat. Es ist doch offensichtlich, dass er getötet wurde, um dieser Hochzeit nicht im Wege zu stehen. Ich muß noch vor der Hochzeit selbst nach Celadh Ivrin reiten.“

Boromir blickte ihn bedauernd an. Doch dann beschloß er, seinem Bruder zu helfen. Er hatte seinem Vater geschworen, nichts zu sagen. Aber er konnte Faramir ja etwas geben.
„Warte hier“, sagte er zu Faramir und eilte davon.
Der jüngere Mann sah ihm kopfschüttelnd nach. Er konnte sowieso aus den Häusern der Heilung nicht weg. Allerdings fühlte er, dass sich seine Verletzung seit Meneldils Kräuterumschlag bedeutend gebessert hatte. Vielleicht würde der Elb sogar recht behalten, und er würde bald völlig gesund sein.
Kurze Zeit später kehrte Boromir zurück. Seine Wangen waren ganz fleckig vor Aufregung.

„Ich werde dir gleich etwas geben“, sagte er mit zitternder Stimme. „Aber versprich mir vorher, dass du Tindómerel trotzdem heiraten wirst. Wenn du es nicht tust, wird Vater mich als Eidbrecher ansehen, obwohl ich dir nichts gesagt habe.“
Faramir überlegte kurz, dann nickte er.
„Ich werde Tindómerel heiraten – mir wird ja auch gar nichts anderes übrig bleiben“, erwiderte er unglücklich. „Selbst wenn....“
Er sprach den Satz nicht aus, denn in diesem Moment drückte ihm Boromir die Kette mit dem blauen, tränenförmigen Edelstein in die Hand. Faramir ließ den Schmuck fallen, als habe er sich daran verbrannt.

„Hast du das in Celadh Ivrin gefunden?“ fragte er mit heiserer Stimme.
„Ich kann und darf dir nichts sagen“, antwortete Boromir bedrückt. „Aber du weißt, aus welchem Grund ich dorthin geritten bin.“
„Wegen Argond“, murmelte Faramir und hob die Kette auf. „Von ihm oder von seiner Familie hast du anscheinend die Kette bekommen. Der Auftraggeber des Mordes bezahlte Argond also mit Schmuck.“
Boromir blickte seinen Bruder unglücklich an.
„Glaubst du wirklich, dass sie ihren Geliebten töten ließ?“ fragte er leise.
Faramir schwieg: er blickte die Kette an und dann wieder Boromir. Er wusste nicht mehr, was er denken sollte.

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