Arda Fanfiction

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Sturmwogen

von Celebne

Die Rückkehr der Braut

Faramirs Schulter war nach dieser Woche tatsächlich völlig verheilt. Ioreth pries die Heilkunst der Elben in den höchsten Tönen. Sie hoffte, dass Meneldil ihr noch einiges von seinen Fähigkeiten zeigen konnte, bevor er die Stadt wieder verließ.  
Faramir wurde als geheilt entlassen und er wurde von Boromir und Fürst Imrahil abgeholt. Der junge Mann freute sich sehr, seinen Onkel zu treffen. Seit vielen Jahren hatte er ihn nicht gesehen, denn Imrahil verstand sich nicht besonders gut mit Denethor. Der Fürst war fest davon überzeugt, dass Denethor schuld am frühen Tod seiner Schwester Finduilas war.

Der hochgewachsene blonde Mann mit den auffallend schönen Gesichtszügen blickte Faramir besorgt an. Die lange Genesungszeit hatte dem zweitgeborenen Sohn Denethors sichtlich zugesetzt. Er wirkte blaß und schmal.
„Es wird Zeit, dass dich jemand hochpäppelt, Faramir“, meinte Imrahil aufmunternd. „Und das werde ich tun. Ich habe einige Köstlichkeiten aus Dol Amroth mitgebracht, die dir bestimmt munden.“
Faramir vernahm mit Freude, dass sich sein Onkel um ihn kümmern wollte. Allerdings mußte er jetzt erst einmal in die Zitadelle hinauf und sich bei seinem Vater melden.

Denethor zeigte sich recht zufrieden, als Faramir ihm mitteilte, er sei wieder gesund.
„Das scheint ja fast mit Zauberei zugegangen zu sein“, bemerkte er ein wenig spöttisch. „Die alte Ioreth scheint mehr Fähigkeiten zu besitzen, als ich ihr zugetraut habe.“
Faramir blickte seinen Vater schweigend an. Er wollte ihm nicht verraten, dass Meneldil für die Beschleunigung seiner Heilung gesorgt hatte. Vorerst sollte Denethor nichts wissen von der Anwesenheit seiner Freunde.

„Wie du sicher mitbekommen hast, sind inzwischen die ersten Hochzeitsgäste eingetroffen“, fuhr Denethor fort. „Es sind fast alle Fürstentümer Gondors vertreten und auch eine Abordnung aus Rohan ist erschienen. Allerdings geruhten weder der König noch sein Sohn persönlich zu kommen, sondern nur sein Neffe und seine Nichte.“
Faramir horchte erfreut auf: er erinnerte sich noch dunkel an die beiden Kinder, die er seinerzeit am Hofe von König Théodens kennengelernt hatte. Es war fast neun Jahre her, seit er zum ersten und letzten Male Éomer und Éowyn gesehen hatte.
„Ich würde gerne die Gäste sehen, Vater“, meinte Faramir erfreut. „Wo hast du sie denn untergebracht?“
„Dafür ist jetzt keine Zeit“, erwiderte Denethor ungehalten. „Ich lasse gleich den Schneider kommen, der dir dein Hochzeitsgewand anpassen soll. Ich hoffe, er ist endlich fertig damit.“

Seufzend mußte sich Faramir fügen. Er schlenderte durch die langen Korridore der Zitadelle in Richtung seines Gemaches. Der Schneider würde ihn dort aufsuchen. Als er in Gedanken versunken einen Säulengang entlanglief, begegnete ihm ein junges Mädchen mit langen, hellblonden Haaren. Faramir fiel das Mädchen sofort auf: in Gondor gab es kaum Frauen mit solchen Haaren. Zudem war es in Gondor Sitte, dass die Frauen und Mädchen ihre Haare hochsteckten, während es nur den Männern erlaubt war, ihre Haare lang und locker herabhängend zu tragen.
„Ich grüße Euch, schöne Maid“, sagte Faramir freundlich zu dem Mädchen.
Sie drehte sich um und der junge Mann blickte in ein hübsches Gesicht mit noch etwas kindlichen Zügen. Das Mädchen mochte höchstens fünfzehn Jahre alt sein. Jetzt fiel es Faramir wie Schuppen von den Augen.

„Éo...Éowyn?“ fragte er verdattert. „Seid Ihr Éowyn von Rohan, das kleine Mädchen?“
Das Mädchen lächelte. Sie hatte ihn jedenfalls sofort erkannt.
„Ja, Herr Faramir, das bin ich. Ich bin die Kleine, die Euch damals die Kette mit dem hölzernen Pferdekopf zum Abschied schenkte.“
„Ihr habt das nicht vergessen?“ fragte Faramir erstaunt.
„Sicherlich hab Ihr die Kette schon fortgeworfen“, sagte sie bedauernd.
„Nein, das habe ich nicht. Ich hüte sie wie einen Schatz“, sagte der junge Mann lächelnd. „Kommt, ich zeige Euch die Kette.“
Éowyn begleitete ihn zu seinem Gemach. Sie wartete sittsam an der Tür, während er rasch zu dem Regal ging, wo der Kelch stand. Er fasste in den Kelch und holte die Kette heraus. Éowyn sah erfreut, wie er ihr die Kette brachte.

„Wollt Ihr sie zurückhaben, meine Dame?“ fragte er höflich.
„Nein, das war ein Geschenk“, beeilte sie sich zu sagen. „Behaltet sie ruhig.“
Es entstand ein verlegenes Schweigen zwischen den Beiden.
„Ich gehe dann wohl besser wieder“, meinte sie schüchtern. „Mein Bruder wird mich schon vermissen.“
Faramir sah ihr lächelnd nach. Éowyn gefiel ihm, das mußte er zugeben. Wenn sie einige Jahre älter gewesen wäre, dann hätte er seinem Vater vorgeschlagen, ihn mit ihr zu vermählen. Doch noch war sie mehr Kind als Frau.

*

Am gleichen Tag traf  die Braut mit ihren Verwandten in Minas Tirith ein. Die Einwohner der Stadt säumten neugierig die Straßen, als der blumengeschmückte Pferdewagen aus Lossarnach zur Zitadelle hinauffuhr. Auch Meneldil und Thalin mischten sich unter das Volk. Sie wollte schließlich sehen, wen Faramir heiratete.
„Wenn ich nur nicht so klein wäre!“ schimpfte der Zwerg und stellte sich verzweifelt auf die Zehenspitzen, um den Wagen besser sehen zu können.
Meneldil packte seinen Freund wortlos und hob ihn auf ein Faß, dass in der Nähe stand. Thalin brummte ärgerlich, denn als stolzer Zwerg ließ er sich nicht gerne von anderen helfen. Doch dann war er allerdings froh, dass er einen Blick auf Tindómerel erhaschen konnte.  
„Ist sie nicht wunderschön?“ rief er Meneldil begeistert zu. „Fast so schön wie eine Elbin.“
„Da hast du recht, Thalin“, meinte der Elb lächelnd. „Die numenórischen Frauen können sich durchaus mit der Schönheit der Elbinnen messen.“

Faramir wanderte nervös in seinem Gemach auf und ab. Ein Bote hatte ihm mitgeteilt, dass Tindómerel bald oben in der Zitadelle eintreffen würde. In seiner Hand hielt er die Kette mit dem Schmuckstein, die ihm Boromir gegeben hatte. Faramir wusste, was er zu tun hatte: er würde Tindómerel so bald wie möglich zur Rede stellen. Tircil, der Diener, holte den jungen Mann in seinem Gemach ab.
„Ihr sollt rasch zu Euerem Vater kommen, denn die Fürstenfamilie aus Lossarnach ist soeben angekommen.“

Faramir seufzte und warf noch einen prüfenden Blick in den Spiegel. Er hatte schon mal besser ausgesehen: sein Gesicht war unnatürlich blaß und hager. Zum Glück war sein knochiges Antlitz etwas durch den rotblonden Bart verdeckt. Die samtene Tunika saß verdächtig locker am Körper. Er hatte in den Häusern der Heilung einfach viel zu wenig gegessen.

Im Thronsaal war auch ein Teil der Gäste anwesend,. Als Faramir eintrat, erblickte er Éowyn erneut und er nickte ihr kurz lächelnd zu, was sie erröten ließ. Boromir bemerkte dies und gab seinem Bruder einen Rippenstoß.
„Die kleine Pferdeherrin aus Rohan gefällt dir wohl?“ raunte er Faramir spöttisch zu.
„Schweig still, Vater kommt!“ gab dieser ungehalten zurück.

Der Truchseß betrat in diesem Moment den Thronsaal. Mit ihm kamen Fürst Forlong, seine Frau Ivriniel und Tindómerel, Faramirs Braut. Die Gäste klatschten begeistert Beifall. Nun mußte Faramir handeln: er ging mit einem verzerrten Lächeln auf die Fürstenfamilie zu und verneigte sich vor ihr. Dann ging er zu seiner Braut und bot ihr galant seinen Arm an. Tindómerel hatte die Haare nach oben gesteckt, doch einige schwarze Locken fielen in ihr Gesicht und auf ihre Schultern, was ihr einen liebreizenden Anblick verlieh. Außerdem trug sie ein weinrotes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt, welches aus Samt angefertigt war.

„Hoch lebe das Brautpaar Faramir und Tindómerel!“ rief ein Herold und blies eine Fanfare auf einer silbernen Trompete.
„Ich muß mit Euch dringend unter vier Augen reden“, raunte Faramir seiner jungen Braut leise zu, während der Klang der Trompete immer noch durch den Saal hallte.
Tindómerel sagte nichts dazu, doch ihre Miene zeige Verwunderung.

Voller Ungeduld wartete Faramir auf das Ende der feierlichen Begrüßungszeremonie. Sein Blick fiel auf Éomer von Rohan, welcher zu einem stattlichen jungen Mann geworden war. Er stand neben seiner Schwester und beide stachen durch ihr weizenblondes Haar unter all den dunkelhaarigen Fürsten Gondors hervor.
Als die Zeremonie vorüber war und die Gäste langsam die Halle verließen, erklärte Faramir seinem Vater und den Eltern von Tindómerel, dass er mit seiner Braut einen kleinen Spaziergang durch die Gärten machen wolle.
„Sicher habt ihr euch viel zu erzählen“, sagte Forlong fröhlich und sein langer Bart wippte beim Lachen mit.

Faramir aber nahm Tindómerel an der Hand und zerrte sie fast aus dem Saal.
„Was ist denn los?“ fragte sie ein wenig verärgert. „Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, was Ihr überhaupt wollt.“
„Das kann ich nicht vor allen Augen fragen“, erwiderte Faramir ebenfalls ungehalten.
Er öffnete die Tür, die in die Gärten führte und zog die junge Frau hinaus.
„Meine neuen Schuhe werden bestimmt schmutzig werden“, beschwerte sie sich.
„Das ist mir im Moment ziemlich gleich“, entgegnete Faramir streng.
„Ihr seid unmöglich!“ beschwerte sich Tindómerel und funkelte ihn wütend aus ihren grauen Augen an.
Als sie weit genug vom Gebäude entfernt waren, zog Faramir die Kette aus der Tasche seiner Tunika.
„Erkennt Ihr sie wieder?“ fragte er mit fast bebender Stimme.
Er war nun gespannt auf Tindómerels Reaktion. Daran würde er erkennen, ob sie etwas mit dem Mord zu tun hatte oder nicht.

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