Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Gefahr in Verzug

Seltsamerweise blieb das Fürstenpaar in dieser Nacht von Spukerscheinungen verschont. Als Faramir am nächsten Morgen aufwachte, blinzelte er erstaunt in die Morgensonne, welche zum Fenster hereinschien.
„Habe ich wirklich die ganze Nacht durchgeschlafen?“, fragte er sich selbst halblaut. „Oder bin ich so übermüdet, dass ich keine Spukerscheinungen mehr wahrnehme.“
Éowyn war bereits aufgestanden und kam lächelnd um das Bett herum.
„Vielleicht können wir heute noch einmal mit unserem Gastgeber reden“, meinte sie gutgelaunt und gab Faramir einen Kuss auf die bärtige Wange.
Dieser grinste und wollte sie zu sich ins Bett ziehen, doch plötzlich ertönte unten im Haus ein Schrei. Die Köchin von Eadgyth hatte diesen Schrei ausgestoßen.
Faramir zog sich rasch eine Tunika über und lief dann mit Éowyn aus dem Gemach hinaus.
„Was für ein Unglück“, stieß die Köchin entsetzt hervor, welcher auf der Treppe stand. „Der junge Herr! Er wurde ermordet.“


Faramir wurde blass, als er das hörte. Er stieg rasch die Treppe hinab und drängte sich an der Köchin vorbei. Eadgyth lag blutüberströmt in der Nähe der Haustür. In seiner Brust steckte das verwunschene Schwert. Faramir sog scharf die Luft ein, als er das sah. Éowyn krallte sich so fest in seinen Arm, dass es weh tat. Faramir jedoch ignorierte den Schmerz. Die Köchin  rannte  schreiend auf die Straße, bevor das Fürstenpaar sie daran hindern konnte. Faramir beugte sich über Eadgyth, dessen Augen starr ins Leere blickten. Der Truchsess schloss die Augen des jungen Mannes und schüttelte betroffen den Kopf.
„Wie konnte das geschehen? Es ist genauso wie bei Norfric.“
Éowyn zog mit einem Ruck das Schwert aus der Brust des Toten. Leichenblass und mit zitternden Händen überreichte sie es Faramir.
„Wir müssen es mitnehmen“, sagte sie bedrückt. „Am Ende geraten wir noch in Verdacht.“
Faramir nickte. Das hätte gerade noch gefehlt. Er säuberte das Schwert mit einem Tuch, das er in der Küche fand und warf das blutige Tuch anschließend in das Herdfeuer.

Danach ging er mit Éowyn nach oben, um zu packen. Das Schwert wanderte wieder in die durchlöcherte Lederscheide, die Faramir an seinem Gürtel befestigte.
„Unten sind Leute“, wisperte Éowyn ihrem Gemahl aufgeregt zu.
Dieser presste die Lippen entschlossen zusammen.
„Lass uns nach unten gehen. Wir sollten mit den Menschen sprechen.“

Cyneweard grinste schief, als er Faramir wiedererkannte. Er stand bei den Männern, welche die entsetzte Köchin herbeigerufen hatte.
„So sieht man sich wieder“, meinte er spöttisch.
Zwei Männer knieten bei dem Toten und untersuchten ihn.
„Vorhin steckte noch ein Schwert in seiner Brust“, rief die Köchin von der Tür her.
„Ich habe es entfernt“, sagte Faramir laut.
Alle drehten sich erstaunt zu ihm hin.
„Wer gibt Euch das Recht dazu?“, fragte Cyneweard, der Pferdehändler, finster.

„Wisst Ihr denn nicht, wer dieser Mann hier ist?“, ertönte eine laute Stimme von draußen.
Faramir und Éowyn atmeten auf, denn diese Stimme gehörte niemand anders als Beregond.
Er kam mit den anderen Soldaten zum Haus hinein und drängte Cyneweard barsch zur Seite.
„Herr Faramir, was ist geschehen?“, fragte Beregond dienstbeflissen.
„Ein entsetzlicher Mord – ganz ähnlich wie bei Norfric“, erwiderte Faramir ernst.
Die Männer aus Borlas steckten die Köpfe zusammen und  blickten immer wieder zu Faramir und Éowyn hin. Schließlich trat Cyneweard wieder vor. Kleinlaut senkte er den Kopf.
„Verzeiht mir meine vorlauten Äußerungen, Herr Faramir und Frau Éowyn. Ihr werdet außerdem noch heute ein besseres Pferd bekommen.“
„Das will ich auch hoffen“, sagte Faramir und blickte ihn streng an. „Und nun tragt den Fürsten in sein Schlafgemach und bahrt ihn dort auf, wie es sich gehört. Verständigt seine Verwandten, falls noch welche leben und bereitet ihm ein würdiges Begräbnis. Der Fürst wurde durch einen bösen Zauber getötet. Meine Gemahlin und ich werden versuchen, in Bruchtal diese ganze Sache aufzuklären. Wer vertritt Eadgyth in dieser Stadt?“

Die Männer beeilten sich, um Faramirs Befehle auszuführen, während das Fürstenpaar nun die Abreise vorbereitete. Cyneweard brachte tatsächlich eine kräftige braune Stute für Torlond und nahm die alte Schindmähre, die er am Tag zuvor Faramir angedreht hatte, wieder mit. Ein älterer Mann namens Hygelac meldete sich beim Fürstenpaar und erklärte, dass er ein entfernter Verwandter von Eadgyth sei und nun die Stelle des Stadtvorstehers übernehme.

„Vielleicht hätten wir doch noch fragen sollen, ob jemand in der Stadt etwas über das Schwert weiß“, gab Éowyn zu bedenken, während die Soldaten die gesattelten Pferde herbeiführten.
„Das hat jetzt keinen Sinn mehr“, murmelte Faramir nachdenklich. „Das Schwert hat selbst dafür gesorgt, dass wir keine Nachforschungen mehr betreiben können.“

* * *


Der hakennasige Mann mit dem grauen Haar blickte angestrengt in das Feuer. Seine Augen schmerzten von der Hitze, doch ein boshaftes Lächeln umspielte seine Lippen. Er murmelte leise Worte in einer unbekannten Sprache. Nach einer Weile wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
„Nun ist der junge Stadtfürst tot“, sprach er zu sich selbst.
Er wirkte sehr zufrieden, während draußen eine Schar Crebain aufflog, als folge sie einem unsichtbaren Herrn.

* * *



Derweil erreichte die kleine Reitertruppe den südlichsten Ausläufer des Nebelgebirges. Éowyn starrte besorgt auf die Berge in der Ferne.
„Dort drüben liegt Isengard “, sagte sie leise.
Faramir ergriff ihre Hand von seinem Pferd aus. Er blicke sie zuversichtlich an.
„Lass uns an Bruchtal denken, mein Stern“, meinte er mit einem leichten Lächeln. „Wir haben unser Ziel bald erreicht.“

Doch noch war es nicht soweit: Erst musste noch die unwirtliche Gegend namens Eregion durchquert werden. Es handelte sich um karges Ödland, in welchem nur vereinzelt Hulstenbäume wuchsen. Die Reitergruppe befand sich auf der großen Nord-Süd-Straße. Es herrschte wenig Betrieb. Nur selten begegnete man anderen Reitern oder irgendwelchen Pferdewagen oder Wanderern.  Faramir wusste, dass sie die Nord-Süd-Straße irgendwann verlassen mussten, wenn diese auf den Fluss Gwathló traf. Danach ging es flussaufwärts weiter, bis der Bruinen vom Gwathló abzweigte. Und anschließend musste man dem Bruinen folgen.

Am ersten Abend nach ihrem Aufbruch aus Borlas lagerte die Gruppe in der Nähe des Nebelgebirges. Als es dunkel wurde, begannen die Runen des Schwertes zu leuchten. Faramir schleuderte die Waffe wütend einige Fuß weit von sich.
„Ich hasse dieses verfluchte Schwert!“, rief er so laut, dass Beregond und die anderen Soldaten zusammenzuckten.
Sogar Éowyn erschrak, weil sie solche Wutausbrüche von Faramir nicht gewohnt war.


* * *


In einem kleinen Gehöft, nicht weit entfernt, saß ein grauhaariger Mann vor einer Schriftrolle und las langsam bedrohlich klingende Worte daraus vor, wie er es jeden Abend tat. Als er fertig war, legte er die Schriftrolle zusammen und legte lächelnd die Hände in den Schoß. Am Himmel braute sich ein Gewitter zusammen und ein kalter Wind fauchte durch den Kamin des kleinen Hauses. Veland lehnte sich zurück und harrte geduldig der Dinge, die da kommen sollten. Es dauerte nicht lange und die Schattenwesen kamen in sein Haus. Veland jedoch hatte keine Angst vor ihnen, denn er war dank der Schriftrolle Herr über sie und konnte ihnen Befehle erteilen.
„Geht zu Faramir!“, sagte er laut zu den Geistern und zeigte Richtung Westen.
Ein Schattenwesen nach dem anderen verschwand, nur eines blieb zurück.
„Auch du, Norfric!“, herrschte Veland die schemenhafte Gestalt an.
„Du bist schuld an meinen Tod“, zischte der Geist zornig. „Du hast das Schwert gelenkt. Du wolltest mir den Triumph nehmen, Faramir zu töten!“
„Du sollst mir gehorchen!“, donnerte Veland mit lauter Stimme und stampfte mit dem Fuß auf. „Folge den anderen oder gehe zurück in den Nebel der Verfluchten!“
„Eines Tages wirst du auch für alles büßen müssen“, flüsterte die Erscheinung unheilvoll und schwebte durch die Wand davon.

* * *


Faramir saß dumpf vor sich hinbrütend am Fluss, während die anderen im Lager ruhig schliefen. Anfangs hatte Éowyn keinen Schlaf gefunden, weil ihr Faramirs verändertes Gemüt große Sorgen machte, aber der anstrengende Ritt hatte sie sehr müde gemacht.
Dieses Mal tauchten die Schattenwesen aus dem Fluss auf. Faramir betrachtete sie mit einem schiefen Lächeln.
„Was wollt ihr von mir?“, fragte er mürrisch, obwohl er schon wusste, dass er keine Antwort bekam.
Die Geister umringten ihn. Faramir hob müde das Schwert und versuchte sie damit halbherzig zu verscheuchen. Wieder hörte er diese grässlichen, wispernden Stimmen, die er nie verstand.
Die Kälte, welche die Schattenwesen mitbrachten, spürte Faramir schon gar nicht mehr.
„Wie lange wollt ihr mich noch ärgern?“, fuhr er die Geister wütend an und sprang auf sie zu.
Die Wesen entfernten sich ein wenig von ihm, aber als er sich wieder hinsetzte, kamen sie erneut auf ihn langsam zugeschwebt.

Bis zum Morgengrauen wurde Faramir von den Schattenwesen gequält. Als die Dunkelheit wich, verschwanden auch die Geister.
Éowyn fand ihren Gemahl am Flussufer in tiefem Schlaf versunken. Vorsichtig weckte sie ihn.
„Wir müssen leider aufbrechen, Liebster“, murmelte sie bedrückt. „Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Du musst noch ein wenig durchhalten. Bruchtal ist nicht mehr weit.“

Faramir wurde den ganzen Vormittag nicht richtig wach. Einige Male nickte er im Sattel ein.
Als die Gruppe in ein kleines Wäldchen kam, wurde sie von Wegelagerern überfallen. Einer der Soldaten wurde von einem Pfeil tödlich in den Hals getroffen. Faramirs Müdigkeit war auf einmal verflogen und er verwendete zum ersten Mal das verwunschene Schwert als Waffe.  Er ließ einen wütenden Schrei los, als er das Schwert auf einen der Räuber niedersausen ließ. Éowyn hatte ihren Gemahl zwar noch nie vorher kämpfen sehen, aber sie ahnte, dass er bei diesem Kampf nicht er selbst war. Das Schwert schien ihm zu einem wilden Schlächter zu machen. Fast alleine erschlug er fünf der Wegelagerer und ruhte nicht eher, bis er die Getöteten mit dem Schwert fürchterlich verstümmelt hatte. Entsetzt ergriffen die wenigen überlebenden Räuber die Flucht.
„Es ist genug, Herr Faramir“, sagte Beregond vorsichtig zu ihm. „Sie sind alle tot.“
Faramir drehte sich zu ihm um. Er von oben bis unten mit Blut bespritzt. Seine Augen hatten einen seltsamen, unheimlichen Glanz bekommen und sein Gesicht war wutverzerrt. Erst ganz allmählich schien ihm bewusst zu werden, was er gerade getan hatte. Éowyn sah betroffen zu, wie er langsam das Schwert sinken ließ, bis es klirrend auf einem Felsbrocken landete.
Er betrachtete die blutigen Leichen der Wegelagerer und schüttelte stumm den Kopf. Der Glanz war aus seinen Augen verschwunden. Sie hatten sich jetzt mit Tränen gefüllt. Er betrachtete fassungslos seine blutbespritzten Hände.
„Ich gehe zum Fluss und wasche das Blut weg“, sagte er tonlos und verschwand zwischen den Bäumen.

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