Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Auf Leben und Tod

Éowyn wusste nicht, was sie tun sollte. Faramir blieb wieder eine ganze Weile verschwunden. Sein Verhalten war ihr fremd geworden. Das Schwert schien einen Einfluss auf ihn auszuüben. Er begann sich zu verändern.
Beregond und die überlebenden Soldaten begruben ihren gefallenen Kameraden. Faramir war nicht da, um eine kleine Grabrede zu halten. Beregond war kein begabter Redner. Er murmelte nur einen hastigen Abschiedsgruß am Grab des Gondorianers.
Die toten Schurken wurden nur mit Steinen und Laub bedeckt.

„Beregond, du kennst doch Faramir schon länger“, begann Éowyn vorsichtig zu reden, als die Soldaten mit ihrer traurigen Arbeit fertig waren. „Hast du ihn jemals schon so – ich weiß nicht wie ich sagen soll – so durcheinander erlebt?“
Der blonde Soldat dachte angestrengt nach, schüttelte dann aber betrübt das Haupt.
„Nein, Herrin. Ich kenne Faramir nur als gütigen, sanften und gerechten Mann. Ich fürchte, es ist das Schwert, Herrin, das ihn verändert.“
Éowyn erwiderte darauf nichts. Sie hatte genug damit zu tun, die Tränen zurückzuhalten. Sie straffte die Schultern und beschäftigte sich mit Windfolas Sattel.

Als Faramir zurückkehrte, hatte er seine dunkelgraue Ersatz-Tunika an. Sein Gesicht wirkte verschlossen. Er wollte zunächst mit niemanden reden und ging schnurstracks zu Hasubeorn.
„Lasst uns weiterreiten“, sagte er nur mit leiser Stimme zu den anderen.
„Wie geht es dir, Faramir?“, fragte Éowyn besorgt und ergriff seine Hand.
„Es geht schon“, erwiderte er traurig lächelnd. „Ich möchte so schnell wie möglich nach Bruchtal.“
Er warf einen Blick auf das Grab des gefallenen Soldaten und er senkte für einen Moment den Kopf.
„Es tut mir leid, dass ich beim Begräbnis nicht da war“, meinte er verlegen zu Beregond und den übrigen Soldaten. „Ich musste für einige Zeit einfach alleine sein.“
Er hoffte, dass die Männer dafür Verständnis haben würden.

Als sich die Reitergruppe in Bewegung setzte, flog ein Craban schnarrend von einem der Hulstenbäume hoch, umkreiste die Reiter noch einige Zeit hoch am Himmel und flog dann zur Pforte Rohans.
Veland hatte auf den Vogel gewartet. Er grinste, als er den Craban sah.
„Sie reiten also tatsächlich nach Bruchtal, wie es aussieht“, murmelte er vor sich hin. „Niemals dürfen sie dort ankommen. Heute nacht weiß ich, was ich zu tun habe.“




Gegen Abend machte die Gruppe Rast am Ufer des Gwathló. Die Sonne ging blutrot am westlichen Horizont hinter einer Hügelgruppe unter.
Faramir wirkte merkwürdig unruhig. Während die Soldaten am Lagerfeuer saßen und eine Abendmahlzeit zubereiteten, wanderte er ziellos am Flussufer entlang. Éowyn hatte inzwischen die Pferde gefüttert und sie beschloss, zu Faramir zu gehen. Es hatte keinen Sinn, wenn er ständig alleine vor sich hingrübelte.
„Ich habe eine böse Vorahnung“, sagte er bedrückt zu Éowyn. „Bruchtal ist jetzt nicht mehr weit. Es sind höchstens noch fünf Tagesritte. Schon morgen wird der Bruinen in Sicht kommen. Falls mir etwas passiert, dann...“
„Faramir!“, unterbracht ihn  Éowyn entsetzt. „So darfst du nicht sprechen! Du wirst Bruchtal erreichen. Wir alle werden das. Meine innere Stimme sagt mir, dass das Schlimmste jetzt überstanden ist.“
Faramir lächelte jetzt, doch sein Lächeln war nicht fröhlich. Er ergriff Éowyns Hände und küsste sie.
„Du bist das Beste, was mir je in meinem Leben passiert ist“, sagte er ernst zu ihr.

Als es völlig dunkel geworden war, legten sich die Reisenden zum Schlafen nieder. Mit einem leisen Seufzen kroch Éowyn in das kleine Zelt, das man für sie aufgestellt hatte. Wieder einmal kam Faramir nicht. Aber er musste doch irgendwann schlafen. Ein dummer Spruch, den Éowyn einmal von einem jungen Mann aus Rohan gehört hatte, kam ihr jetzt in den Sinn:

Schlafen kann man immer noch, wenn man tot ist.

Schaudernd wickelte sie sich in ihre Decke und hoffte, dass Faramir bald hereinkam. Doch der Schlaf übermannte sie schnell an diesem Abend.

Faramir saß am heruntergebrannten Lagerfeuer und wartete darauf, dass die Runen des Schwertes zu leuchten begannen. Jeden Moment war es soweit. Doch das Leuchten blieb aus.
Irgendwie war in dieser Nacht alles anders. Im Lager schliefen bereits alle. Faramir bekam ein ungutes Gefühl. Er spürte, wie sich die Schattenwesen näherten. Dieses Mal merkte er wieder die Kälte, die sie mit sich brachten. Die Kälte griff nach seinem Herzen. Faramir beobachtete, wie einer der Schatten das Schwert ergriff. Es sah fast so aus, als würde es durch die Luft schweben.
„So habt ihr also Norfric und Eadgyth umgebracht“, murmelte Faramir mit einem bitteren Lächeln. „Ich wusste, dass ich als nächstes dran bin. Aber ich werde es euch nicht leicht machen.“
Er sprang zur Seite, als das Schwert in seine Richtung gestoßen wurde. Aber dann spürte Faramir  kalte Hände an seinem Körper, welche ihn wieder in die Richtung des Schwertes schoben. Der Truchsess versuchte sich zu wehren. Doch das Schwert näherte sich unerbittlich. Faramir hielt die Luft an. Er glaubte bereits, das Schwert auf seiner Haut zu spüren, als einer der Schatten dazwischenging und das Schwert in eine andere Richtung lenkte.


* * *


Veland starrte angestrengt in die Flammen. Er konnte sehen, was am Ufer das Glathwó vor sich ging. Er ärgerte sich, als er sah, dass die Schattenwesen seinen Befehl nicht richtig ausführten. War es wieder Norfric, der sich seinem Befehl widersetzte? Veland stand fluchend auf und holte einer der Schriftrollen aus dem Regal an der Wand. Töten konnte er Faramir von hier aus nicht, aber er konnte ihn außer Gefecht setzen, und das, so lange er es für nötig hielt.
Rasch öffnete er die Schriftrolle und sprach laut die Worte in einer alten Sprache, welche Saruman selbst erfunden hatte. Als er fertig war, lächelte er böse.
„Faramir, du wirst niemals wieder aus der Starre erwachen, in die ich dich versetzt habe. Schlafe nun bis zum Ende aller Tage!“

Faramir sah erleichtert, dass sich die Schattenwesen zurückzogen. Der Spuk schien in dieser Nacht vorüber zu sein. Er hob das Schwert, welches am Boden lag, mit einem Seufzen auf und presste es an seine Brust.
Plötzlich merkte er, dass ihm schwindlig wurde. Ihm wurde schwarz vor Augen und er fiel zu Boden.

Beregond erwachte ihm Morgengrauen. Mit Schrecken fiel ihm ein, dass er am Abend zuvor niemanden zur Lagerwache eingeteilt hatte. Er ärgerte sich über seine Unachtsamkeit und fragte sich, warum er nur so schnell eingeschlafen war. Aber zum Glück war nichts passiert.
Doch er merkte schnell, dass irgendetwas anders war als sonst. Er sah eine Gestalt abseits vom Lager liegen.
Sein entsetzter Schrei weckte Éowyn. Im Nu war sie wach. Sie ahnte, dass mit Faramir etwas geschehen war. Ihr Herz klopfte laut, als sie aus dem Zeit kroch. Als sie sah, dass die Soldaten sich um den am Boden liegenden Faramir bemühten, schrie sie selbst auf, da sie das Schlimmste befürchtete.

„Er ist nicht tot“, sagte Beregond erleichtert. „Aber er liegt in tiefer Bewusstlosigkeit wie einst, als er am Schwarzen Atem erkrankt war.“
Éowyn beugte sich weinend zu Faramir hinunter und streichelte sein Gesicht.
„Bitte wach doch auf“, bettelte sie immer wieder.
„Wir können nichts tun“, meinte Beregond traurig. „Nicht einmal das Schwert können wir seinen Händen entwinden, ohne sie zu brechen.“
Éowyn presste die Lippen zusammen. Rettung für Faramir konnte es nur in Bruchtal geben.
Sie mussten jetzt ganz schnell dorthin. Beregond nahm seinen Herrn vor sich in den Sattel. Wie eine schlaffe Puppe hing Faramir in den Armen des treuen Soldaten. Éowyn konnte gar nicht hinsehen. Das erinnerte sie daran, wie ihr Bruder einst den sterbenden Prinz Théodred nach Hause gebracht hatte. Théodred war dann eine Nacht später an seinen Verletzungen gestorben. Faramir hatte zwar keine Verletzungen, doch wirkte er auch fast wie ein Toter. Sein Geist schien sich weit von seinem Körper entfernt zu haben.

Am Abend erreichte die Reitergruppe den Bruinen, genau wie Faramir es vorausgesagt hatte.
Sie mussten jetzt nur noch den Lauf des Bruinen folgen, bis sie zur einzigen Furt kamen. Dann hatten sie Bruchtal praktisch erreicht. Éowyn war tieftraurig. Sie wusste nicht, ob Faramir jemals wieder erwachen würde. Schließlich gab es keinen Herrn Elrond mehr in Bruchtal. Celeborn mochte zwar ein weiser, alter Elb sein, aber ob er die Macht hatte, Faramir zu heilen, war fraglich.
Die Runen des Schwertes leuchteten jetzt nicht mehr und der nächtliche Spuk blieb auch aus. Éowyn lag hellwach in dem kleinen Zelt und starrte in die Dunkelheit. Ohne Faramir wollte sie niemals wieder ein Auge zutun, schwor sie sich. Doch gegen die Erschöpfung, die sie nach Mitternacht übermannte, war auch sie machtlos. Beregond war es, der sie nach Sonnenaufgang vorsichtig weckte. Éowyn kroch traurig aus dem Zelt und blickte zu Faramir hinüber, den man fürsorglich bis zum Hals zugedeckt hatte. Er rührte sich immer noch nicht. Auch sein Gesichtsausdruck war der Gleiche wie am Tag zuvor. Beregond nahm ihn wieder vor sich in den Sattel. Es sah grotesk aus, wie der Bewusstlose sein Schwert wie im Krampf festhielt.
Einer der Soldaten führte Hasubeorn mit sich, indem er die Zügel um seinen Sattelknauf gewickelt hatte. Es handelte sich um Torlond. Kurz bevor die Reisegruppe Bruchtal erreichte,
lösten sich die Zügel vom Sattelknauf Torlonds und Hasubeorn galoppierte davon.
Beregond war wütend auf Torlond und schalt ihn deswegen.
„Ich war wirklich nicht nachlässig“, verteidigte sich der Soldat beschämt. „Es war, also ob eine unsichtbare Hand die Zügel von Hasubeorn ergriffen hat.“
„Das ist Unsinn!“, sagte Beregond böse.
„Hört auf!“, ging Éowyn empört dazwischen. „Wir haben jetzt keine Zeit, uns um entlaufene Pferde zu kümmern. Auch nicht um Hasubeorn. Wir müssen weiter nach Bruchtal.“
Sie warf einen tiefbetrübten Blick auf Faramir, den man sanft auf den Boden gebettet hatte.

Einige Tage später erreichten sie die Furt, von der Faramir gesprochen hatte. Doch wo lag nun Bruchtal genau? Etwas ratlos lagerten die Reisenden an der Furt. Éowyn beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und sie begab sie in den nahen Wald an der Furt. Der Wald war an zwei Seiten von Felswänden umgeben, die aufeinander zuliefen. Éowyn wollte schon fast wieder umdrehen, als ein dunkelhaariger Elb aus dem Gebüsch auftauchte.
„Wohin wollt Ihr, Herrin?“, fragte er ernst, aber nicht unfreundlich.
Éowyn war so erleichtert, den Elben zu sehen, dass ihr die Tränen kamen. Endlich waren sie am Ziel ihrer Reise.

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