Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Bruchtal

Éowyn hatte sich Bruchtal eigentlich ganz anders vorgestellt: als eine wundervolle Elbenstadt, in welcher die Sonne ewig schien und schöne Elben in langen Gewändern auf den Straßen wandelten und immerzu sangen. Doch dieses Bruchtal, welches sie jetzt erblickte,  wirkte verlassen und ein wenig trostlos, wie Éowyn enttäuscht feststellte. Die wenigen Gebäude waren teilweise von Pflanzen überwuchert und machten einen unbewohnten Eindruck. Außerdem war es dort kühl und düster, als wäre es bereits Spätherbst. Trockene Blätter wirbelten auf, als die Reiter in den Hof kamen, welcher zu Elronds Haus gehörte. Außer dem dunkelhaarigen Elben namens Elladan, welcher die Gruppe nach Bruchtal geführt hatte, war noch kein anderer Elb zu sehen gewesen.
„Ihr könnt die Pferde hier stehen lassen“, sagte Elladan zu Éowyn und ihren Begleitern. „Bringt Herrn Faramir in Elronds Haus.“

Éowyn betrat die große Pforte des Hauses. Sie hatte es eilig, Herrn Celeborn zu treffen. Elladan wies die Soldaten an, Faramir in eines der kleineren Gemächer des Hauses zu bringen, während Éowyn in der großen Halle auf Celeborn wartete. Sie betrachtete die vielen Statuen von Elben und Menschenkönigen und stellte fest, dass einige der Menschenkönige Aragorn sehr ähnlich sahen. Es gab auch ein großes Wandgemälde von Isildur, welcher dem Dunklen Herrscher in der großen Schlacht auf den Feldern der Dagorlad  die Hand mit dem Einen Ring abgeschlagen hatte. Éowyn stand eine Weile versunken vor dem Gemälde, bis jemand leise ihren Namen rief. Sie drehte sich um und erblickte hinter sich einen blonden Elben in einem weißen langen Gewand. Auf den ersten Blick wirkte der Elb wie ein junger Mann, doch dann sah Éowyn die Augen des Elben, welche so weise und gütig blickten wie die eines Greisen, der viel erlebt hatte.
„Ich bin Celeborn“, stellte er sich schlicht vor.
„Mein Name ist Éowyn von Ithilien“, erwiderte die Fürstin hastig. „Ich würde Euch bitten, mein Herr, nach meinem Gemahl zu sehen, welcher in einem merkwürdigen Todesschlaf liegt.“
„Alles zu seiner Zeit“, antwortete Celeborn mit einem leichten Lächeln. „Ihr seid jetzt in Sicherheit.“
Seine Stimme strahlte eine Zuversicht und Kraft aus, dass sich Éowyn augenblicklich wohler fühlen zu begann. Plötzlich blickte sie wieder hoffnungsvoller in die Zukunft.

Von einer jungen Elbenfrau wurde sie zu einem Gemach gebracht, wo sie sich umziehen und waschen konnte. Éowyn zog das schöne Elbenkleid an, dass man ihr hingelegt hatte. Es war dunkelgrün und aus einem sehr weichen Stoff. Außerdem duftete es nach wohlriechenden Blumen. Die junge Fürstin fühlte sich gleich wohl darin und ging mit leichtem Schritt in die Halle zurück. Dort wurde gerade das Nachtmahl aufgetragen. Verlegen saßen Beregond und die Soldaten an einer langen Tafel. Auch sie trugen jetzt elbische Gewänder und sahen dadurch ganz verändert aus.
Éowyn setzte sich neben Beregond an die Tafel.
„Der Elbenfürst ist gerade bei Herrn Faramir“, sagte dieser leise zu Éowyn. „Hoffentlich kann er ihm helfen.“
Éowyn nickte betroffen. Viel Appetit hatte sie nicht, obwohl die Speisen verführerisch dufteten. Elladan trat an die Tafel und lud die Menschen freundlich ein, zuzugreifen. Die Soldaten ließen sich das nicht zweimal sagen. Éowyn jedoch nagte nur ein wenig an einer Hühnerkeule herum und aß ein wenig Obst. Schon bald erhob sie sich wieder und fragte Elladan, ob sie zu ihrem Gemahl dürfe.
Der schwarzhaarige Elb nickte und führte die Fürstin aus der Halle in einen schmalen Korridor mit mehreren Türen. Er klopfte an der letzten Tür und wartete, bis jemand von drinnen ihn hereinbat. Éowyn folgte ihm aufgeregt.

Celeborn und ein anderer schwarzhaariger Elb, welcher Elladan sehr ähnlich sah, saßen an Faramirs Bett. Auch Faramir trug jetzt ein elbisches Gewand. Das Schwert hatte man ihm irgendwie abgenommen. Seine Hände ruhten auf seinem Bauch. Éowyn betrachtete Faramir, während ihr die Tränen erneut über die Wangen liefen. Es sah fast so aus, als konnten ihm die Elben auch nicht helfen. Der schwarzhaarige Elb erhob sich jetzt, nickte Éowyn kurz zu, und flüsterte Elladan etwas ins Ohr. Die beiden Elben verließen daraufhin das Gemach.
„Herr Celeborn, könnt Ihr Faramir helfen?“, fragte Éowyn schüchtern.
„Ein böser Zauber liegt auf Euerem Gemahl“, sagte der Elb ernst. „Es ist, als weilte Saruman noch in Mittelerde, denn dieser Fluch ist sehr stark.“
„Hat es mit diesem Schwert zu tun, mit den Runen darauf?“, fragte Éowyn aufgeregt.
„Ich habe mir das Schwert bereits betrachtet“, erzählte Celeborn besonnen. „Die Runen verleihen der Waffe eine besondere, böse Macht. Die Runen sind aus einer magischen Sprache, welche ursprünglich nur Saruman und Sauron beherrschten. Saruman, oder auch Curunir, wie wir Elben ihn manchmal nannten, war ein sehr wissbegieriger Schüler Aules. Die Schmiedekunst hatte es ihm angetan. Er liebte es, kunstvolle Gegenstände zu schmieden. Daher war auch Sauron ein Vorbild für ihn. Doch Saruman liebte die Waffen. Er konnte sich für alle Arten von Schwertern begeistern. Als er noch der Vorsitzende des Weißen Rates war, schenkte er den Elben manchmal Schwerter, die mit Runen von guter Magie versehen waren. Ich hätte nie gedacht, dass Saruman auch seine Zauberkräfte dazu verwenden würde, so etwas Bösartiges wie dieses Schwert zu erschaffen. Doch Ihr sagtet, Frau Éowyn, dass diese Runen nicht von Anfang an auf dieser Waffe waren. Das würde bedeuten, dass es noch Personen in Mittelerde gibt, die Sarumans Erbe sozusagen angetreten haben. Wir müssen herausfinden, wer das ist.“

Éowyn hob verzweifelt die Hände, denn sie hatte keine Ahnung, nach wem man genau suchen sollte. Doch plötzlich fiel ihr Eadgyths Bericht wieder ein.
„Der Fürst von Borlas erwähnte einen gewissen Veland, welcher einst angeblich Saruman gedient haben soll“, meinte sie stirnerunzelnd. „Allerdings habe ich keine Ahnung, wo wir genau nach diesem Mann suchen sollen. Er könnte in Rohan wohnen oder auch ganz woanders. Es könnte aber auch sein, dass er in den Wirren des Ringkriegs umgekommen ist.“
Traurig senkte sie den Kopf.
Doch Celeborn legte ihr tröstend die Hände auf die Schultern.
„Ihr dürft jetzt nicht verzagen, Frau Éowyn“, mahnte er sie leise. „In Bruchtal hat das Böse jedenfalls keine Macht mehr über das Schwert. Möglicherweise wird Faramir in einigen Tagen von selbst aus diesem tiefen Schlaf erwachen. Aber ich kann Euch nichts versprechen.“
„In Edoras war es ähnlich“, platzte die Fürstin plötzlich heraus. „Mein verstorbener Vetter erschien uns und sein Geist war in der Lage, den Spuk aus Edoras zu bannen. Und er sprach auch seltsame Worte: Das Pferd würde den Weg zeigen. Was für ein Unsinn!“

Celeborn wurde plötzlich nachdenklich. Er führte Éowyn aus der Kammer heraus, in welcher Faramir schlief. Er brachte die Fürstin von Ithilien zur Bibliothek von Elronds Haus. Éowyn staunte über die vielen Bücher und Schriftrollen, die in einem großen, hellen Gemach aufbewahrt wurden. Die ehemalige Schildmaid durfte sich auf eine bequeme Polsterliege setzen. Während Celeborn zwischen den hohen Holzregalen herumwanderte und nach einem bestimmten Buch suchte, merkte Éowyn langsam, wie eine bleierne Müdigkeit in ihrem Körper hochkroch. Die Reise war sehr anstrengend gewesen und dieser Tag sehr lang.

Als Celeborn mit dem Buch zu ihr zurückkehrte, schlief sie bereits fest auf der Liege. Der Elbenfürst lächelte und winkte zwei junge Elben heran, welche Éowyn in ihr Gemach tragen sollten.

Éowyn erwachte am nächsten Morgen erquickt in dem weichen Elbenbett. Erstaunt blickte sie sich um. Sie hatte keine Ahnung mehr, wie sie in der Nacht zuvor dorthin gekommen war. Irgendwie ging in Bruchtal sowieso einiges nicht mit rechten Dingen zu. Als sie ans Fenster trat, blickte sie mit trauriger Miene auf die herbstlich wirkende Umgebung. Immerhin schien heute die Sonne und machte diesen geheimnisvollen Ort etwas lebendiger.

Als sie später in die Halle herunterkam, wollte sie sofort mit Celeborn sprechen. Eine Elbenfrau jedoch erklärte ihr ernst, dass der Fürst nicht zu sprechen sei. Er sei mit einer wichtigen Angelegenheit beschäftigt. Auch zu Faramir ließ man sie nicht.

Enttäuscht setzte sich Éowyn schließlich an die große Tafel in der Halle und ließ sich ein kleines Frühstück bringen. Nach einer Weile kam einer der Zwillingssöhne von Elrond zu ihr.
„Herr Celeborn will Euch jetzt sehen“, sagte der dunkelhaarige Elb zu ihr. „Kommt.“
Éowyn hatte vor Aufregung ganz zittrige Knie und sie wankte fast, als sie dem Elben folgte.

Der Elb führte sie wieder zu dem Gemach, in welchem sich Faramir befand. Sie durfte eintreten. Als sie hineinkam, strömte ihr ein intensiver Duft entgegen, der ihr sehr bekannt vorkam.
„Athelas?“, fragte sie erstaunt.
Celeborn, welcher mit einer Schüssel, worin sich eine dampfende Flüssigkeit befand, an Faramirs Bett saß, drehte sie mit erstaunter Miene zu ihr um.
„Guten Morgen“, murmelte sie verlegen.
„Ihr habt gar nicht so unrecht, Frau Éowyn“, erwiderte er mit sanfter Stimme. „In dieser Schüssel befindet sich Athelas-Sud, jedoch auch andere Kräuter, welche nur hier in Bruchtal wachsen.“
Éowyn nickte mit einem verkrampften Lächeln, denn sie sah, dass Faramir immer noch nicht erwacht war. Sie schritt vorsichtig um das Bett herum und stellte sich an die andere Seite. Sie strich liebevoll über Faramirs Gesicht und merkte, dass sich die Haut wärmer anfühlte als am Tag zuvor.
„Es geht ihm besser – habe ich recht?“, fragte sie verwundert.
„Ja und nein“, antwortete Celeborn ernst. „Sein Zustand wirkt besser als gestern, aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob und wann er wieder aufwachen wird.“
„Warum?“, stieß Éowyn entsetzt hervor. „Ihr wart doch gestern noch zuversichtlich.“
Celeborn stellte die Schüssel mit Athelas-Sud nun auf einen kleinen Tisch an Faramirs Bett und erhob sich.

„Ich habe heute nacht viel gelesen, Frau Éowyn“, erklärte er bedrückt. „Saruman hatte einst eine große Bibliothek besessen. Er hat viele Zaubersprüche und Ereignisse selbst in Büchern und Schriftrollen festgehalten. Ich habe entdeckt, dass es einen Zauberbann gibt, welcher Menschen in eine Art todesähnlichen Zustand versetzen kann. Einem solche Bann ist wohl Euer Gemahl erlegen. Es gibt leider keinen Zauber der Elben, welcher solch einen Bann lösen könnte. Saruman war einer der Istari, ein Maia. Wir sind zwar die Erstgeborenen, aber gegen den Zauber der Maias sind wir machtlos.“
Éowyn hörte die letzten Worte Celeborns gar nicht mehr richtig. Sie kämpfte mit den Tränen, da sie langsam sicher war, Faramir verloren zu haben. Es gab überhaupt keine Anhaltspunkte, wie sie ihm helfen konnte. Sie ließ sich erschüttert auf einem gepolsterten Stuhl nieder und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Celeborn trat zu ihr und strich ihr tröstend über das Haar.

„Es gibt aber auch etwas Gutes zu berichten“, fuhr er schließlich fort. „Im Buch der Geister konnte ich lesen, dass manchmal die Seelen von verstorbenen Helden wieder auf in die Welt der Lebenden zurückkehren, wenn besonders nahe stehende Personen von bösen Geistern bedroht  werden. In diesem Fall wurde Prinz Théodred die Macht verliehen, den Spuk aus Edoras zu bannen. Woher er diese Macht hatte, kann ich nicht sagen. Aber es ist gut zu wissen, dass Sarumans Flüche ihre Grenzen haben.“
„Und was ist mit diesem Spruch über das Pferd?“, fragte Éowyn wieder ein wenig hoffnungsvoller.
„Die Pferde der Rohirrim sind besondere Tiere“, sagte Celeborn mit einem leichten Lächeln. „Kein Volk in Mittelerde kann solch großartige, edle Pferde züchten wie Ihr. Es gibt immer noch Pferde in Rohan, welche Mearh-Blut in sich tragen. Eines davon besitzt Ihr, und das neue Pferd Eueres Gemahls ist ebenfalls ein Abkömmling von Mearas. Pferde mit diesem Blut sind sehr klug und sie besitzen die Fähigkeit, Geister intensiver wahrzunehmen als die Menschen. Hasubeorn muss große Qualen durchlitten haben auf dieser Reise, denn Faramir hatte sicher das Schwert ständig bei sich. Doch die Treue eines solchen Pferdes kann größer sein als seine Angst.“
„Aber woher wisst Ihr das alles?“, gab Éowyn erstaunt von sich und erhob sich von ihrem Stuhl.
„Elrohir konnte heute morgen Hasubeorn einfangen“, erklärte der Elbenfürst schmunzelnd. „Beregond nannte uns den Namen des Hengstes.“
„Mich wundert es aber trotzdem, dass Hasubeorn kurz vor Bruchtal davongelaufen ist“, fuhr Éowyn nachdenklich fort. „Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Schwert nicht auf seinem Rücken, da Faramir es in den Händen hielt. Außerdem hatte es seit Tagen nicht mehr gespukt.“
„Hasubeorn hielt es wegen dem Verräter in Euerer Gruppe nicht mehr länger bei Euch aus“, sprach Celeborn ernst.
„Ein Verräter?“ Éowyn sank mit weichen Knien auf den Stuhl zurück.
Jetzt verstand sie gar nichts mehr.

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