Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Éomers Geschenk

Am frühen Abend trafen die Gäste ein. Es kamen nicht nur Verwandte von Faramir, sondern auch der Bruder Éowyns mit seiner Gemahlin. Die Wiedersehensfreude war riesengroß, denn das war auch für die ehemalige Schildmaid eine Überraschung. Der  König von Gondor und seine wunderschöne Gemahlin gehörte zusammen mit Legolas und einigen Waldelben aus Ithilien zu den Ehrengästen. Faramir war ein bisschen nervös, denn solch hohe Gäste beherbergte sein Haus nur selten. Er konnte sich jedenfalls nicht erinnern, hier schon einmal zwei Könige an einem Abend bewirtet zu haben. Fürst Imrahil, Faramirs Onkel aus Dol Amroth, schenkte seinem Neffen ein großes Buch mit goldener Schrift.  Dies war nur eine von vielen Kostbarkeiten, welche Faramir an diesem Abend überreicht bekam. Zuletzt brachte König Éomer sein Geschenk. Er überreichte seinem Schwager einen länglichen Gegenstand, der in ein dickes Tuch gehüllt war.

„Sei vorsichtig, sonst verletzt du dich“, warnte Lothiriel ihren Vetter.
„Jetzt hast du schon die Hälfte verraten“, tadelte Éomer scherzhaft seine Gemahlin.
Faramir wickelte neugierig unter den Augen seiner Gäste das Geschenk des Königs auf. Es handelte sich um ein kostbares Schwert, welches mit Edelsteinen besetzt war. Der Schwerknauf war rund und kurz, wie es in Rohan Sitte war und mit goldenen Pferdeköpfen verziert.
„Das ist unglaublich“, staunte Faramir. „Ich werde heute beschenkt wie ein König. Habt ihr mein neues Pferd schon gesehen.“
„Wenn du Hasubeorn meinst, natürlich“, meinte Éomer grinsend. „Ich kannte ihn schon als Fohlen. Weißt du eigentlich, dass er von den Mearas abstammt?“

Aragorn, Legolas und Imrahil wollten Hasubeorn sofort sehen. Faramir blieb nichts anderes übrig, als das Essen noch eine Weile zu verschieben. Lothiriel teilte derweil den Frauen mit, dass sie schwanger war. Während sich die anderen lautstark freuten und ihr gratulierten, schwieg Éowyn mit einem melancholischen Lächeln. Sie wollte auch gerne Kinder haben, aber sie hatte bereits einige Fehlgeburten hinter sich. Arwen nahm die Fürstin tröstend in den Arm, denn sie ahnte, was in Éowyn vorging.
„Du wirst auch eines Tages Mutter sein, meine Liebe, das weiß ich“, flüsterte sie ihrer Freundin zu.

Éowyn jedoch entfernte sich von den anderen Frauen und nahm das Schwert, welches Faramir bekommen hatte, in die Hand. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Schwerter gehabt und sie merkte rasch, dass es sich um eine besonders gute Waffe handelte. Die ehemalige Schildmaid fragte sich, woher ihr Bruder dieses Schwert hatte, denn ihr fiel kein lebender Schmied in Rohan ein, der solch ein Kunstwerk anfertigen konnte. Sie fuhr sanft mit ihren Fingern über die silberglänzende Schneide und entdeckte, dass dort blass schimmernde Runen eingraviert waren. Sie unterdrückte einen überraschten Ausruf. Es gab nicht viele Schwerter in Rohan, die mit Runen versehen waren. Es handelte sich normalerweise immer um Zauberrunen, welche die Besitzer des jeweiligen Schwertes schützten. Ob Éomer diese Runen gesehen hatte? Nicht einmal auf seinem Schwert Guthwine waren so viele Zauberrunen eingraviert.

Endlich kamen die Männer wieder in die Halle herein, aufgeregt miteinander schwatzend. Sie brachten einen leichten Geruch nach Stall und Pferd mit. Doch niemand störte sich daran.
Éowyn konnte es kaum erwarten, mit ihrem Bruder in Ruhe über das Schwert zu reden. Daher konnte sie auch das gute Essen gar nicht genießen. Immer wieder blickte sie flehend zu Éomer hinüber, der sich bestens mit seinem Waffenbruder, dem König von Gondor unterhielt. Irgendwann jedoch merkte Éomer, dass seine Schwester etwas von ihm wollte, und er sah ihr an, dass es nicht für alle Ohren bestimmt war. Dennoch leerte mit Genuss seinen Teller, denn solche Köstlichkeiten wie hier bei der Feier gab es auch in der Meduselde nicht alle Tage. Éowyn rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. Ihr Teller war längst leer. Faramir spürte ihre Unrast und blickte sie fragend an.
„Es ist alles in Ordnung“, flüsterte sie ihm lächelnd zu und streichelte kurz seine Hand.

Als sich Éomer erhob, um die Halle zu verlassen, warf er seiner Schwester einen vielsagenden Blick zu. Es dauerte nicht lange, und Éowyn folgte ihm. Wie sie ahnte, war er in die Stallungen gegangen. Er stand an der Box von Hasubeorn und kraulte den Hals des Hengstes.
„Hat Faramir überhaupt solch ein edles Pferd verdient?“, fragte er grinsend, als seine Schwester hereinkam.
„Du weißt, dass er ein vortrefflicher Pferdekenner ist“, entgegnete Éowyn ungehalten.
„Für einen Gondorianer“, ergänzte Éomer augenzwinkernd. „Wie dem auch sei: ich glaube, du wolltest mit mir wegen etwas anderem sprechen.“
„Es geht um das Schwert“, sagte die Fürstin aufgeregt. „Woher hast du es? Es muss dich ein Vermögen gekostet haben.“
„Es hat mich gar nichts gekostet“, erklärte Éomer belustigt. „Ich fand es in Théodreds Truhe.“
Éowyn hob überrascht eine Augenbraue.
„Aber von dem Schwert hat er nie etwas erzählt!“
„Ich schätze, dass er erst kurz vor seinem Tod zu dem Schwert kam“, meinte ihr Bruder nachdenklich.
„Ich habe mir vorhin das Schwert angesehen und darauf Zauberrunen entdeckt“, berichtete Éowyn weiter. „Womöglich besitzt es große Schutzgeister. Ich wundere mich, dass du es nicht selbst behalten hast.“
Éomer fuhr über den Knauf seines großen Schwertes, welches an seinem Gürtel hing.
„Ich würde Guthwine um nichts in der Welt eintauschen“, sagte er stolz. „Und was soll ich mit zwei Schwertern? Nachdem ich lange hin und her überlegt habe, was ich Faramir zum vierzigsten Geburtstag schenken soll, ist mir wieder das Schwert eingefallen. Lothiriel wollte eigentlich eine schöne Tunika für Faramir schneidern lassen, aber das konnte ich ihr zum Glück ausreden. Das ist ein Geschenk für Frauen.“
Éowyn kicherte belustigt, als sie das hörte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie das Ehepaar über Faramirs Geschenk diskutiert hatte.

Als die beiden Geschwister wieder in die Halle zurückkamen, waren die männlichen Gäste mit dem Schwert beschäftigt.
„Was sind das für Runen auf der Schneide?“, wollte Faramir neugierig von seinem Schwager wissen.
„Ich glaube, es sind Zauberrunen“, meinte Éomer achselzuckend.
Im Moment betrachtete Legolas das Schwert stirnerunzelnd.
„Das sind keine Runen der Elben“, stellte er überrascht fest. „Solche Zeichen habe ich noch nie in meinem langen Leben erblickt.“
Aragorn nahm ihm das Schwert aus der Hand.
„Ich kenne diese Schrift auch nicht“, meinte er gelassen. „Aber es sind sicher Runen, welche den Träger dieser Waffe beschützen sollen. Es ist eine gute Arbeit aus Rohan. Ich würde gerne wissen, welcher Schmied solch vortreffliche Schwerter schmieden kann.“
„Ich weiß es, ehrlich gesagt, auch nicht“, sagte Éomer verlegen. „Das Schwert gehörte einst meinem Vetter. Und er kann uns nicht mehr sagen, woher er diese Waffe hat.“

Aragorn erhob sich jetzt und schwang das Schwert kraftvoll einige Male durch die Luft.
„Jedenfalls ist es eine sehr gute Waffe“, bemerkte er anerkennend. „Faramir wird mit diesem Schwert Gondors bester Krieger werden.“
„Ist er das nicht schon?“, wandte Éowyn mit gespielter Empörung ein.
Alles lachte in der Halle herzlich auf. Faramir nahm das Schwert von seinem König grinsend entgegen und legte es zu den anderen Geschenken auf dem breiten Sims des offenen Kamins.
Dannach wurde kräftig weitergefeiert und niemand schenkte zunächst dem Schwert mehr Beachtung. Viel Met und Wein wurde bis zum Ende der Nacht gebechert.

* * *


Vorsichtig öffnete Faramir die Augen. Die Sonne, welche hell ins Gemach flutete, verursachte bei ihm heftige Kopfschmerzen. Er tastete nach Éowyn. Ihm war totenübel. Offensichtlich hatte er bei der Feier zu viel Alkohol erwischt. Dunkel erinnerte er sich an ein Trinkspiel, zu welchem Éomer ihn überredet hatte. Bei dem Gedanken daran spürte Faramir einen galligen Geschmack im Mund. Rasch sprang er aus dem Bett und taumelte in den Waschraum.
Ein wenig später begann er sich langsam anzuziehen. Jede kleinste Bewegung verstärkte das Hämmern in seinem Kopf. Als er fertig war, stakste er vorsichtig hinunter in die Halle. Das Gesinde war bereits eifrig mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. Faramir grüßte die Leute, so freundlich wie er konnte, und betrat den kleinen Speisesaal, in welchem gegessen wurde, wenn nur eine kleine Anzahl von Gästen anwesend war.

Wie er erwartet hatte, saßen in dem  Gemach Éowyn, ihr Bruder, Lothiriel, Fürst Imrahil und das Königspaar aus Minas Tirith. Alle nahmen einen kleinen Imbiß zu sich und waren guter Dinge. Als Éomer Faramir erblickte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Guten Morgen“, sagte Faramir mit heiserer Stimme.
„Guten Morgen?“, meinte Aragorn leicht spöttisch. „Wir haben fast Nachmittag.“
„Faramir, du siehst ganz blass aus“, sagte Éowyn besorgt. „Geht es dir gut?“
„Ausgezeichnet“, schwindelte der Truchsess und ließ sich vorsichtig am Tisch nieder.
Der Geruch der frisch zubereiteten Fleischpasteten machte es nicht einfach für ihn. Sein Magen drohte erneut zu rebellieren.
„Einen Krug Met gefällig?“, fragte Éomer frech.
Lothiriel gab ihm empört einen leichten Rippenstoß und Aragorn schmunzelte in sich hinein.
„Ich kann nur Wasser trinken“, erklärte Faramir verlegen und war dankbar, als ihm Éowyn einen Becher davon reichte.
„Es war eine sehr schöne Feier“, lenkte Arwen vom Thema ab. „Ich werde noch lange daran zurückdenken.“
„Oh ja, ich auch“, fiel Éomer amüsiert ein. „Vor allem das Trinkspiel wird mir in guter Erinnerung bleiben.“
Faramir hätte nur zu gerne gewusst, wie er sich bei dem Trinkspiel angestellt hatte, doch sein Gedächtnis machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Éowyn wirkte längst nicht so belustigt wie ihr Bruder. Sie knabberte schweigend an einer Fleischpastete und warf ihrem Bruder wütende Blicke zu.
Faramir ahnte fast schon, was bei dem Trinkspiel geschehen war. Vermutlich hatte er sich dabei tüchtig blamiert. Er war noch nie trinkfest gewesen. Es war nicht Sitte in Gondor, Alkohol in rauen Mengen zu genießen. Fürst Imrahil sah ihn bedauernd an, schwieg aber.

Am späten Nachmittag brachen die letzten Gäste nach Hause auf. Das Königspaar begab sich nach Minas Tirith zurück, während Éomer und seine Gemahlin mit Fürst Imrahil nach Dol Amroth reiste.
Gemeinsam stand das Ehepaar im Hof und winkte den Abreisenden hinterher. Faramir seufzte leise auf, als alle aus seinem Blickfeld verschwunden waren.
„Was habe ich gestern nacht alles angestellt?“, fragte er Éowyn jetzt neugierig, als sie alleine im Hof standen.
„Du hast ganz schön viel Met erwischt“, erzählte sie mit unterdrücktem Kichern. „Mein Bruder kam dann auf die Idee mit dem Trinkspiel. Du hast dich nicht zweimal bitten lassen.“
Faramir blickte sie entsetzt an: so ausgelassen benahm er sich also, wenn er betrunken war.
„Wer hat das Trinkspiel gewonnen?“, fragte er heiser.
Éowyn zwang sich, ernst zu bleiben.
„Natürlich mein Bruder. Wo denkst du hin? Ein Mann aus Rohan nimmt Met praktisch schon mit der Muttermilch auf. Ihr Gondorianer seid eher mäßige Trinker.“
„Findest du das verwerflich?“
„Nein, im Gegenteil. Ich betrachte Trinkfestigkeit nicht als Stärke“, erwiderte Éowyn nachdenklich. „Ein betrunkener Krieger kann schließlich das Schwert nicht mehr richtig führen.“
„Gut“, meinte Faramir und grinste jetzt. „Dann bleibe ich lieber ein guter Schwertkämpfer und entsage dem Met. Bis auf weiteres jedenfalls.“
„Du Schelm!“, meinte seine Gemahlin belustigt und gab ihm einen leichten Rippenstoß.

Rezensionen