Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Ratlos

Am nächsten Morgen räumte Faramir seine Geburtstagsgeschenke auf. Er legte das Schwert, welches in das Ledertuch gehüllt war, in eine kleine Truhe, welche sich in seiner Schreibstube befand. Diese Waffe war ihm unheimlich geworden. Er hoffte, dass es keine Spukerscheinungen mehr geben würde, wenn sie verborgen war. In Edoras hatte es schließlich auch nicht gespukt.

An diesem Frühsommermorgen regnete es in Ithilien. Es war ein trüber, grauer Tag. Mit sorgenvollem Blick stand Éowyn am Fenster, in ein warmes Kleid gehüllt. Faramir trat hinter sie und legte seine Hände auf ihre schmalen Schultern. Er strich ihr langes Haar hinters Ohr zurück und küsste sie sanft auf ihren schlanken Hals.
„Deine Haut ist ganz kühl“, sagte er zärtlich. „Frierst du, meine Liebe?“
„Ja, mir ist tatsächlich kalt“, gab Éowyn zu. „Spürst du nicht auch diese Kälte hier im Haus? Es ist ganz merkwürdig. Wir haben doch fast Sommer.“
„Fühlst du dich krank?“, fragte Faramir besorgt. „Ich kann nicht sagen, dass es mir zu kalt ist. Doch irgendwie ist mir auch unwohl zumute.“
„Ich bekomme normalerweise nicht so schnell Angst“, sagte die schöne Fürstin nachdenklich. „Ich habe den Hexenkönig besiegt, die grässlichste Spukgestalt, die man sich vorstellen kann. Aber er war ein Gegner, mit dem ich kämpfen konnte. Dies hier ist ein Spuk, welcher nicht greifbar ist. Ein feiger Gegner, der aus dem Hinterhalt zuzuschlagen scheint. Diese Machtlosigkeit macht mir Angst.“
Faramir schloss sie fest in seine Arme und schmiegte sein bärtiges Gesicht an ihr dickes, blondes Haar.
„Solange wir zusammenhalten, soll uns weder ein sichtbarer noch ein unsichtbarer Feind Furcht einjagen“,sagte er entschlossen.
Seine Worte klangen fast wie ein Schwur.

Doch auch in der folgenden Nacht wurde das Fürstenhaus von unheimlichen Ereignissen heimgesucht. Als Beren wieder tanzenden Schatten in der Eingangshalle sah und ein seltsames Flüstern hörte, ging er in das kleine Nebengebäude, in welchem Beregond und sein Sohn lebten, und er weckte den Hauptmann der Weißen Schar. Faramir hatte ihm dies erlaubt. Natürlich war der blonde, hochgewachsene Soldat nicht begeistert, als ihn der grauhaarige Gesindeaufseher aus dem Schlaf riss. Beregond mochte Beren nicht besonders, weil dieser gerne die Mägde herumkommandierte. Mit mürrischem Gesichtsausdruck legte der Soldat sein Kettenhemd an und folgte Beren zum Haus hinüber. Der Gesindeaufseher blieb ängstlich im Eingangsbereich stehen und bat Beregond zuerst hineinzugehen. Der Hauptmann zog sein Schwert aus dem Gürtel und marschierte tapfer los.

Beregond spürte die unnatürliche Kälte in der Eingangshalle. Das war nicht normal um diese Jahreszeit. Auf dem großen Tisch vor dem Kamin hatte Beren seine Lampe abgestellt. Sie erleuchtete schwach die Wände. Beregond bemerkte die Schatten, die über die Wände huschten. Das kam nicht vom Flackern der Lampe. Das war etwas anderes. Spuk.

Der blonde Hauptmann war einiges gewohnt, aber dies war ihm doch ein wenig zuviel. Er spürte, wie sein Herz heftig schlug und sein Mund trocken wurde. Schließlich ging er wieder hinaus zu Beren. Dieser wartete auf dem mondhellen Hof und sah ihn erwartungsvoll an.
„Ich habe es auch gesehen“, sagte Beregond kurzangebunden.
„Wir müssen mit Herrn Faramir reden“, meinte Beren besorgt. „Ich habe bisher niemanden davon erzählt. Aber sollte sich das unter dem Gesinde herumsprechen, wird Emyn Arnen bald verlassen sein.“
„Ich kann nicht glauben, dass es an diesem schönen Schwert aus Rohan liegen soll“, fuhr Beregond ungehalten fort. „Vielleicht ist es irgendein böser Orkzauber.“

Zusammen gingen sie ins Haus zurück und weckten vorsichtig das Fürstenpaar. Kurz darauf versammelten sich alle vier unten in der Eingangshalle. Éowyn fror so sehr, dass sie sich noch eine Decke um den Schlafmantel wickelte.
„Diese Kälte ist nicht normal“, meinte Faramir kopfschüttelnd. „Ich werde nach dem Schwert sehen. Vielleicht leuchten die Runen wieder.“
Er ging in seine Schreibstube hinüber, während die anderen ihm vorsichtig folgten. Zu Faramirs Erstaunen stand die Truhe offen und das Schwert lag auf dem Ledertuch, in welches es gewickelt gewesen war. Die Runen leuchteten in der Dunkelheit.
„Das gibt es doch nicht“, sagte Faramir entsetzt. „Ich habe die Truhe mit einem Schlüssel verriegelt.“
„Das Schloss wurde nicht aufgebrochen“, bemerkte Beregond erstaunt. „Es ist rätselhaft, was hier geschehen ist.“
„Es geht hier nicht mit rechten Dingen zu“, sagte Éowyn leise. „Wir müssen etwas unternehmen. Ich habe das Gefühl, dass dieser Spuk immer schlimmer wird.“

Auch in dieser Nacht wurde nur wenig geschlafen. Bis zum Morgengrauen saß das Fürstenpaar mit Beregond und Beren zusammen. Man beratschlagte, was man tun konnte.
„Vielleicht können die Elben helfen“, schlug Faramir schließlich vor. „Ich werde nach Legolas schicken lassen. Vielleicht weiß auch Arwen Rat.“
Die anderen erklärten sich damit einverstanden. Éowyn schwieg. Sie verstand die Welt nicht mehr. Was war mit diesem Schwert los? All die Jahre hatte es in Théodreds Truhe gelegen und nichts war passiert. Aber kaum brachte es Éomer zu Faramir, stand die Welt plötzlich auf dem Kopf. Sie grübelte, aber sie kam zu keinem Ergebnis.
Faramir wollte mit ihr zusammen zum König nach Minas Tirith reiten. Aber zuerst wollte man auf Legolas und seine Leute warten.

Am Mittag traf eine kleine Elbendelegation im Fürstenhaus ein. Beren und Beregond sahen sich erleichtert an. Die Ankunft der Elben brachte ein wenig Hoffnung. Legolas, ganz in grün gekleidet, brachte seine beiden Vettern Gwaenas und Eryndir mit. Alle drei Elben hatten langes, hellblondes Haar und ihre Gesichter waren so ebenmäßig schön, dass alle Menschen im Fürstenhof verzückt von ihnen waren.
Faramir und Éowyn begrüßten die Elben herzlich.
„Ihr seht beide sehr müde und blass aus“, bemerkte Legolas besorgt. „Diese seltsamen Ereignisse haben euch schon sehr zugesetzt. Ich hoffe, dass ich helfen kann.“
Bereits im Hauseingang spürte der Königssohn aus dem Waldlandreich, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Ich kann jetzt noch die bösen Stimmen hören, die heute nacht hier flüsterten“, raunte er Faramir zu.
Vorsichtig ging er mit seinen Vettern weiter.
„Ein dunkler Schatten liegt auf diesem Haus“, sagte Gwaenas leise. „Der Ursprung kommt aus diesem Gemach.“
Er deutete auf Faramir Schreibstube. Mit einem verzerrten Lächeln öffnete Faramir die Tür des kleinen Gemaches. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, das Schwert wieder einzuschließen. Es lag noch immer offen in der Truhe.

Legolas sah sehr ernst drein, als er das Schwert hochhob. Seine Vettern traten zu ihm. Gemeinsam betrachteten sie die Runen auf der Schneide. Faramir hörte sie leise auf Sindarin reden.
„Ich habe dir schon auf dem Fest gesagt, dass ich die Runen nicht lesen kann“, erklärte Legolas dem Fürsten. „Es ist eine uralte Schrift. Mein Vetter Eryndir vermutet, dass diese Runen von den Maiar einst verwendet wurden. Es ist jedoch sehr wichtig, diese Runen zu entziffern, um die böse Geister, die in diesem Schwert wohnen, zu bannen.“
„Ich verstehe nicht, warum sich die Geister nicht schon in Edoras gezeigt haben“, wandte Éowyn ungehalten ein. „Vielleicht hat der ganze Spuk auch mit diesem Haus zu tun.“
„Nein“, sagte Legolas entschieden. „Dieses Schwert war in Edoras ohne Besitzer, denn Prinz Théodred ist tot. Vielleicht war er auch nie der richtige Besitzer des Schwertes, so wie Faramir jetzt. Éomer hat Faramir diese Waffe offiziell geschenkt und ihn somit zum Besitzer des Schwertes gekürt.“
„Und wenn ich ihm die Waffe zurückgebe?“, fragte Faramir zweifelnd. „Vielleicht hört dann der Spuk auf.“
„Ich glaube nicht, dass dies so einfach möglich ist“, warf Gwaenas kopfschüttelnd ein.
Éowyn hatte genug gehört. Sie wollte nach Minas Tirith reiten. Vielleicht wusste das Königspaar mehr Rat. Auch die Elben wollten dorthin. Das Schwert sollte mitgenommen werden.
Beren atmete erleichtert auf, als er hörte, dass die unheimliche Waffe in der kommenden Nacht nicht im Fürstenhaus sein würde.


„Ich wünschte, Gandalf wäre noch in Mittelerde“, seufzte Éowyn bedrückt, als sie unterwegs waren.
Die Sonne schien warm vom Himmel und die Vögel zwitscherten vergnügt, aber niemand hatte an diesem Tag einen Sinn dafür. Jeder der fünf Reiter dachte nur an das Schwert und das Unheil, welches es mit sich brachte.
„Mithrandir hätte sicher Rat gewusst, oder auch nicht“, meinte Faramir nachdenklich. „Denn alles konnte er auch nicht ergründen. Wir sollten ihm seinen Frieden in Valinor lassen. Er wird nicht zurückkehren. Wir in Mittelerde müssen mit unseren Problemen jetzt selbst fertig werden. Und das werden wir auch schaffen.“
Zuversichtlich drückte er Éowyns Hand, welche neben ihm ritt.

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