Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Ein Unglück geschieht

Am späten Nachmittag des nächsten Tages wurden die müden Reisenden erst richtig wach. In dem kleinen Lager kehrte nun richtig Leben ein. Zuerst einmal wurde gegessen.
Faramir wirkte einigermaßen erholt, denn in dieser Nacht hatte es nicht gespukt. Er lächelte sogar, als Éowyn ihm etwas Brot und Käse reichte.
„Du siehst besser aus“, stellte sie erleichtert fest. „Vielleicht haben wir diese schlimme Zeit bald rasch hinter uns.“
Doch da sollte sie sich gewaltig irren.

In der folgenden Nacht überquerten die Reiter den Meringbach, welcher eine natürliche Grenze zwischen Rohan und Gondor bildete. Es war eine kalte, regnerische Nacht und die Reiter mussten ihre Regenumhänge anlegen. Faramir vermisste den tröstenden Schein des Sterns Eärendils und er fühlte sich unbehaglich. Plötzlich wurde Hasubeorn unruhig. Er gehorchte Faramir nicht mehr richtig. Dieses Mal ließ sich der Hengst nicht mit Worten in der Sprache der Rohirrim beruhigen. Im Gegenteil, er wieherte schrill auf und versuchte, Faramir abzuwerfen. Bevor dies geschah, gelang es dem Truchsess gerade noch, selbst aus Hasubeorns Sattel zu springen.
„Verdammt!“, fluchte er erzürnt auf.

Erst jetzt sah er, dass die Runen auf dem Schwert, welches am Sattel befestigt war, wieder leuchteten. Er musste unbedingt versuchen, das arme Tier von dem unheilbringenden Ding zu erlösen. Aber Hasubeorn gebärdete sich wie verrückt und ließ Faramir nicht an sich heran. Auch Beregond und die anderen Soldaten versuchten Hasubeorn zu beruhigen. Bis auf Norfric, welcher verächtlich grinsend im Sattel saß und zusah.
„Tu endlich was!“, schrie ihn Éowyn aufgebracht in der Sprache Rohans an.
Mit finsterer Miene stieg Norfric von seinem Pferd und bahnte sich einen Weg durch die wild gestikulierenden Gondorianer. Fast im gleichen Moment stürmte Hasubeorn davon und riss Faramir beinahe um.
„Hasubeorn!“, brüllte der Truchsess wütend. „Komm zurück!“
„Das wird nichts nützen“, sagte Norfric leise.

Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang der Rohir auf sein Pferd und folgte dem davonstürmenden Hasubeorn.
„Was hat er jetzt vor?“, fragte Faramir ärgerlich.
„Ich würde sagen, er versucht, Hasubeorn zu dir zurückzubringen“, meinte Éowyn gelassen.
„Sollen wir ihm folgen?“, wollte Beregond besorgt wissen.
„Nein“, antwortete die Fürstin an der Stelle ihres Gemahls. „Wenn es Norfric nicht gelingt, das Ross des Herrn zurückzuholen, dann niemandem.“


Es blieb der kleinen Truppe nichts anderes übrig, als auf Norfric zu warten. Rasch stellten Beregond und die anderen Soldaten die Zelte auf, damit der Truchsess und seine Gemahlin ein wenig Schutz vor dem Regen hatten. Faramir kroch erschöpft hinein und strich sich müde das nasse Haar aus der Stirn. Éowyn wirkte sorgenvoll.
„Mir ist kalt“, murmelte Faramir und legte sich eine Decke um die Schultern.
Doch auch die Decke war durch den andauernden Regen bereits klamm geworden. Éowyn warf ihre nassen Haare zurück und blieb zusammengekauert sitzen. Sie machte keine Anstalten, sich dichter an Faramir zu setzen.
„Machst du dir Sorgen um Norfric?“, fragte Faramir mit rauer Stimme.
Éowyn ärgerte sich, denn die Eifersucht, welche in Faramirs Stimme mitschwang, war nicht zu überhören.
„Würdest du dir um Beregond denn keine Sorgen machen, wenn er versuchte, Hasubeorn zurückzuholen?“, wollte sie grimmig wissen.
Faramir erwiderte darauf nichts. Der fehlende Schlaf machte ihn übellaunig.

Der Regen, der unaufhörlich auf das Zeltdach klatschte, ließ das Fürstenpaar dann doch schläfrig werden. Als erstes nickte der völlig erschöpfte Faramir ein und nach einer kurzen Weile seine Gemahlin, die in einiger Entfernung von ihm lag.
Ein entsetzter Schrei Beregonds weckte das Fürstenpaar auf. Schlaftrunken kroch Faramir aus dem Zelt. Doch dann erblickte er bereits die furchtbare Szene im Lager. Hasubeorn war zurückgekehrt. Er schleppte ein lebloses Bündel hinter sich her. In einem Steigbügel hing Norfrics Fuß. Der Rohir selbst war tot und war von Hasubeorn mitgeschleift worden. In seiner Brust steckte das verwunschene Schwert.
„Nein!“, stöhnte Faramir und fiel auf die Knie.

Éowyn ließ sich ihr Entsetzen nicht anmerken. Mit versteinerter Miene wies sie die Soldaten der Weißen Schar an, wie sie Norfric zu bestatten hatten. Nach Sitte der Rohirrim  wollte sie ein einfaches Hügelgrab für ihn errichten lassen. Faramir selbst hatte dem Toten das Schwert aus der Brust gezogen. Er fragte sich, wie das passiert war. War es eine unsichtbare Hand gewesen, welche dem Rohir die tödliche Wunde zugefügt hatte oder war er einem Feind aus Fleisch und Blut begegnet?
„Jetzt nimmt Norfric all seine Geheimnisse mit ins Grab“, murmelte Faramir vor sich hin, als sich der Grabhügel über den Leichnam des Kriegers schloss.
„Was meinst du damit?“, wollte Éowyn wissen, die neben ihm vor dem Hügel stand.
„Er muss irgendetwas über das Schwert gewusst haben“, fuhr der Truchsess finster fort. „Leider wollte er es uns nicht mitteilen. Aber dennoch hat er sein Leben geopfert, um mir Hasubeorn zurückzubringen.“
„Norfric hat Hasubeorn über alles geliebt“, erwähnte Éowyn vorsichtig. „Als ich das Tier nach Ithilien brachte, ist er oft zu den Elben geritten, um Zeit mit Hasubeorn zu verbringen.“
„Dann hat er dies also nicht mir zu liebe getan“, stellte Faramir grimmig fest. „Er wollte nur Hasubeorn nicht verlieren.“
Éowyn schwieg. Sie wusste, dass ihr Gemahl damit Recht hatte.

Schweren Herzens befahl Faramir nun, dass wieder am Tag geritten und nachts geschlafen wurde. Éowyn ließ sich den Verlust Norfrics nicht anmerken, doch ihr Gemahl wusste, dass sie um den Mann trauerte.

Sie erreichten nun die ersten Ausläufer der berühmten Grasebenen Rohans. Ein fast endloses Meer aus Gras bot eine wunderschöne Aussicht für die Reisenden aus Gondor. Éowyn lächelte, als sie die Ebenen erblickte. Nur Faramir blieb ernst. Er fragte sich im Stillen, was in der folgenden Nacht geschehen würde.
Nach Einbruch der Dunkelheit schlugen die Reisenden an einem kleinen Bachlauf ihr Nachtlager auf. Éowyn schlief ziemlich rasch in dem kleinen Zelt ein. Beregond hatte Wache. Er beobachtete sorgenvoll den Truchsess, der wach auf einer Decke lag. Es kam ihm merkwürdig vor, dass sein Herr nicht in das Zelt zu seiner Gemahlin ging.
„Ihr müsst schlafen, Herr Faramir“, wisperte der treue Soldat bedrückt. „Ihr werdet sonst irgendwann zusammenbrechen.“
„Ich weiß“, murmelte Faramir leise. „Aber ich kann nicht. Dieses verfluchte Schwert hält mich wach. Hörst du sie nicht auch, diese grausamen Stimmen?“
Beregond lauschte angestrengt. Ja, er vernahm jetzt auch diese Stimmen. Ganz leise in der Ferne.
„Ich wünschte, wir könnten etwas dagegen tun“, sagte er seufzend.  
„Ich muss bis Bruchtal durchhalten“, erwiderte Faramir heiser. „Irgendwie muss ich durchhalten. Aber ich habe Angst, dass ich schon vorher den Verstand verliere.“
Beregond konnte darauf nichts sagen. Dem treuen Soldaten standen Tränen in den Augen. Er wollte nicht, dass seinem Herrn etwas zustieß. Aber er wusste nicht, wie er es dieses Mal verhindern sollte.



Éowyn erwachte ausgeruht am nächsten Morgen. Sie hatte sehr gut geschlafen. Mit einem leichten Lächeln kroch sie aus dem Zelt. Die Sonne war bereits aufgegangen. Die Soldaten bereiteten sich gerade ein kleines Frühstück am Lagerfeuer. Éowyn sah sich nach Faramir um.
Doch er war nicht im Lager. Sie wollte wissen, warum er nicht in das Zelt gekommen war.
„Wo ist der Fürst?“, fragte sie die Soldaten besorgt.
„Er ist zu einer nahen Quelle gegangen, um sich zu waschen“, sagte Beregond eifrig. „Herrin, er hatte keine gute Nacht.“
Éowyn nickte betreten. Es wäre fast verwunderlich gewesen, wenn Faramir durchgeschlafen hätte.
Da Faramir einfach nicht auftauchen wollte, beschloss die Fürstin, ihm entgegenzugehen. Sie ließ sich von Beregond sagen, wo die Quelle lag, und begab sich dorthin.
In einem kleinen Wäldchen, welches aus ein paar Ulmen bestand, fand sie schließlich Faramir. Er lehnte an dem Felsen, aus welchem die Quelle entsprang und blickte mit verschlossener Miene in das sprudelnde, frische Wasser.
„Faramir?“
Éowyn machte sie mehr Sorgen denn je. Solch ein grüblerisches Verhalten von Faramir war ihr unbekannt.
„Heute nacht habe ich wieder die Schattenwesen gesehen“, murmelte er mit tonloser Stimme.
Er sah dabei Éowyn gar nicht an, sondern starrte weiter auf die Quelle.
„Beregond hat zu der Zeit fest geschlafen“, fuhr Faramir düster fort. „Sie kamen ganz nahe zu mir. Einer der Schatten war Norfric. Er hat versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagte. Ich hatte das Gefühl, dass er mir helfen wollte. Aber die anderen Schattenwesen zerrten ihn mit sich fort und verschwanden dann wieder.“
„Norfric!“, stieß Éowyn traurig hervor. „Ich kann noch immer nicht glauben, dass er tot sein soll. Er hat so viele Jahre der Königsfamilie gedient.“
„Anscheinend hat er jetzt im Tod mir gegenüber ein Gewissen“, bemerkte Faramir sarkastisch. „Plötzlich möchte er mir helfen. Im Leben war er so verflucht stolz und stur.“
Er schlug zornig mit der Faust auf den Stein und sein Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Grimasse.
Éowyn hatte Verständnis für den Gefühlsausbruch ihres Mannes. Sie ärgerte sich selbst darüber, dass Norfric womöglich wichtige Fakten über das Schwert verschwiegen hatte.
„Ich glaube, dass er für seine falschen Entscheidungen im Leben jetzt büßen muss“, meinte sie nachdenklich und schmiegte sich tröstend an Faramir.

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