Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

In Edoras

Bis zur Ankunft der kleinen Reisegruppe in Edoras blieb das Wetter einigermaßen schön. Faramir war fast am Ende seiner Kräfte angekommen, als die Reiter die Hauptstadt Rohans erreichte. Éowyn hoffte, dass er in den gastlichen Räumen des Königs endlich die ersehnte Ruhe finden würde. Leider war Éomer nicht zuhause, und das war dem Fürstenpaar auch schon lange bekannt, denn er war nach Faramirs Geburtstagsfest mit Lothiriel und seinem Schwiegervater nach Dol Amroth gereist. Es würde noch einige Wochen dauern, bis er wieder nach Hause kam. So lange konnten Faramir und Éowyn jedoch nicht warten. Das Geheimnis des Schwertes musste so bald wie möglich gelöst werden.

In der Abwesenheit Éomers wurde Rohan von einem Fürsten namens Raedwulf regiert. Raedwulf war der Sohn von Grimbold, welcher in der Schlacht auf den Pelennorfeldern gefallen war. Er war ein hochgewachsener Mann mit rotblonden Haaren. Als Raedwulf hörte, dass das Fürstenpaar aus Ithilien gerade ankam, war er überrascht, jedoch auch erfreut.

Faramir und Éowyn übergaben ihre Pferde den königlichen Stallknechten, während ihre Soldaten zu den Kriegerunterkünften am Rande der Stadt ritten. Die Knechte waren von Hasubeorn begeistert.
„Ein wahrhaft königliches Pferd reitet Ihr da, Herr Faramir“, sagte Leofwyne, der alte Stallmeister des Königs. „Es ist so edel, dass man es in einer Reihe mit Schneemähne und Feuerfuß aufzählen könnte.“
Faramir lächelte müde: er war ganz und gar nicht zu Gesprächen über Pferde aufgelegt.
„Behandelt ihn gut“, sagte er nur kurzangebunden und verließ mit Éowyn die Stallungen.

Als er die Meduselde betrat, war seine Erschöpfung wie weggeblasen. Er wollte so schnell wie möglich in Théodreds Gemach und dort nach Hinweisen über das Schwert suchen. Doch daraus wurde vorerst nichts. Es wäre unhöflich gewesen, den Willkommenstrunk von Fürst Raedwulf zu verweigern. Und da Faramir schon einige Male nach Rohan gereist war, wusste er aus Erfahrung, dass der Willkommenstrunk sich einige Stunden hinziehen konnte.  So machte er also gute Miene zum bösen Spiel und setzte sich mit Éowyn zu den Edelleuten in die Meduselde. Éowyn fühlte sich sofort wieder in der Goldenen Halle zuhause. Sie wurde von den adeligen Frauen umringt und in Gespräche verwickelt. Faramir konnte hören, dass die Damen Rohans wissen wollten, wie die Weiblichkeit Gondors gewandet war. Er musste ein wenig schmunzeln und er vergaß für eine kurze Weile das Schwert. Éowyn war sehr ausgelassen und hatte rote Wangen bekommen. Faramir seufzte leise und dachte wieder an den Grund ihrer Reise.

Endlich waren die Metkrüge leer und das Fürstenpaar durfte die Halle verlassen.
„Ich möchte in Théodreds Gemach“, flüsterte Faramir seiner Gemahlin aufgeregt zu. „Vielleicht finden wir dort etwas Wichtiges über das Schwert.“
Éowyn nickte. Auch sie wollte dorthin. Sie ging rasch voraus zum Gebäude, welches an der Goldenen Halle grenzte. Dort lagen die Wohnräume der Königsfamilie. Éowyn führte Faramir in das Gemach, welches einst das von Königssohn Théodred gewesen war. Doch sie blieb enttäuscht an der Türschwelle stehen.
„Alles ist leer“, murmelte sie traurig. „Sieh, Faramir.“
Der Truchsess traute seinen Augen kaum. Das Gemach war vollkommen ausgeräumt worden. Bedrückt trat er ein und stellte sich in die Mitte des Raumes.
„Ich habe es fast schon befürchtet“, murmelte er finster. „Das Glück ist uns einfach nicht hold.“
Éowyn betrachtete ihn sorgenvoll, als sie das Gemach wieder verließen. Faramir sah plötzlich um Jahre gealtert aus. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
„Ich muss mich dringend hinlegen“, ächzte er und fuhr sich über die Augen.
Doch bis zu den Gastgemächern schaffte er es nicht mehr. Er brach vor Éomers Schlafgemach zusammen.
Éowyn rief sofort um Hilfe. Ein kräftiger Kammerjunker kam herbei und half Faramir wieder auf die Beine. Die Fürstin jedoch öffnete sofort die Tür zum Schlafgemach des Königs. Faramir sollte sich einstweilen in das Bett Éomers legen, bis er wieder zu Kräften gekommen war.

Während Faramir auf dem Bett wie ein Toter schlief, saß Éowyn nachdenklich an seiner Seite. Ihr Blick schweifte im Gemach herum. Es war ein geschmackvoll eingerichteter Raum. Der Boden war von Tierfellen bedeckt und an den Wänden hingen kostbare Teppiche mit Reiterdarstellungen. Aber es fehlten auch nicht typisch gondorianische Möbel. Éowyn entdeckte eine zierliche Kommode, welche Lothiriel mit nach Rohan gebracht hatte. Es gab auch einige hübsch gearbeitete Stühle mit dem Schwanwappen von Dol Amroth. Schließlich fiel der Blick der Fürstin auf eine wohlbekannte Truhe: es war die Truhe von Prinz Théodred!
„Faramir“, flüsterte sie ergriffen. „Die Truhe – sie ist hier!“

Doch der Truchsess hörte sie nicht. Vorsichtig versuchte Éowyn ihn zu wecken, aber er rührte sich nicht. Also öffnete sie alleine die Truhe. Zunächst einmal fand sie Dinge, welche sie sehr an ihren gefallenen Vetter erinnerten und Tränen traten in ihre Augen. Sie fand eine schöne hellgrüne Tunika mit goldenen Bordüren, die er immer gerne getragen hatte. Als sie die Tunika hochhob, fand sie noch einige Schriftrollen. Das ließ sie die Tränen rasch wieder vergessen. Mit zitternden Händen öffnete sie die Schriftrollen. Doch sie las darin nur alte Lieder und Gedichte der Éorlingas. Enttäuscht ließ sie die Schriftrollen wieder sinken. Faramir bewegte sich jetzt. Seine Lippen öffneten sich und er murmelte unartikulierte Laute vor sich hin. Wahrscheinlich träumte er gerade.
Doch mit einem Ruck setzte er sich auf.
„Verschwindet endlich, ihr boshaften Schatten!“, rief er zornig aus und schüttelte die Faust.
„Faramir, ich bin da“, schrie Éowyn entsetzt. „Hier sind keine Schatten.“
Faramir sank erschöpft zurück und atmete schwer.
„Oh, mein Stern“, murmelte er mit schleppender Stimme. „Ich glaube, ich habe den starken Met nicht vertragen. Wie bin ich hierhergekommen?“
„Soviel Met hattest du gar nicht getrunken“, bemerkte Éowyn und strich ihm die feuchten, roten Locken aus der Stirn. „Du bist vor dem Gemach des Königs umgefallen.“
Sie war erleichtert, dass Faramir wieder bei Bewusstsein war.
„Ich habe wieder diese Schatten gesehen...Norfric“, stammelte Faramir und wischte sich über die Augen. „Es ist wie verhext. Er möchte mir immer etwas sagen, schafft es aber nicht.“
Éowyn nickte hilflos. Sie wünschte sich, sie könnte diese üblen Visionen vertreiben.
„Ich habe Théodreds Truhe gefunden“, teilte Éowyn ihm schließlich vorsichtig mit. „Ich habe aber nichts Nennenswertes darin entdeckt.“

Faramir erhob sich langsam von dem Bett. Die Neugier verlieh ihm neue Kräfte. Er wollte selbst noch einmal in der Truhe nachsehen. Doch auch er wurde enttäuscht. Éowyn zeigte ihm die Dinge, welche sie gefunden hatte. Es war wirklich nichts besonderes. Faramir öffnete dennoch die Schriftrollen und sah hinein. Es waren Gedichte und Lieder in der Sprache Rohans. Er beherrschte die Sprache recht gut, daher sah er rasch, dass ihm diese Texte nicht helfen würden.
„Das war fast zu erwarten“, meinte Faramir bedrückt. „Allerdings könnten uns die Männer vielleicht weiterhelfen, welche den Prinzen immer begleitet haben.“
„Von diesen Männern dürfte kaum noch jemand am Leben sein“, sagte Éowyn bedauernd. „Fast alle Krieger, welche meinen Vetter früher begleitet haben, sind an den Furten des Isen gefallen.“
„Vielleicht haben wir ja endlich Glück und wir finden doch noch einen Krieger, der etwas weiß“, hoffte Faramir.

Das Ehepaar verließ das königliche Schlafgemach wieder. Einige Mägde beobachteten die beiden heimlich und grinsten sich verschwörerisch an. Sie ahnten nicht, dass Faramir und Éowyn sich nicht zum Spaß in diesem Gemach aufgehalten hatten.
Die zwei Reisenden suchten nun ihre Gasträume auf. Dort war auch das Gepäck hineingetragen worden. Faramir warf einen finsteren Blick auf das verhasste Schwert, welches man auf sein Bett gelegt hatte. Es war in ein festes Ledertuch eingewickelt.
„Schade, dass es niemand gestohlen hat“, brummte Faramir schlechtgelaunt und zog seine Tunika aus.
Er ging zu einer Waschschüssel in der Ecke des Gemaches, um sich frischzumachen.
„Hier in Edoras gibt es keine Diebe“, meinte Éowyn ein wenig beleidigt, während sie ihre Stiefel aufschnürte.
Faramir drehte sich zu ihr herum.
„Ich habe das nicht so gemeint, meine Liebe“, entschuldigte er sich. „Ich sagte das aus einer dummen Laune heraus.“
Er trocknete rasch seinen athletisch gebauten Oberkörper ab und ging hinüber zu ihr. Éowyn ließ sich von ihm in die Arme nehmen.
„Dieses Schwert soll keine Zwietracht mehr zwischen uns sähen!“, sagte er fast beschwörend.
„Ach Faramir“, seufzte die ehemalige Schildmaid und schmiegte sich an ihn. „Ich wünschte, dieser ganze Spuk wäre schon vorbei.“

Doch das Gegenteil war der Fall. Nachdem in Edoras alles zu Bett gegangen war und auch das Fürstenpaar Schlaf suchte, begannen die Runen auf dem Schwert wieder rot zu leuchten.
„Na kommt schon, ihr Geister“, knurrte Faramir wütend. „Ich warte auf euch. Nur zu! Raubt mir den Schlaf!“
„Faramir“, murmelte Éowyn schlaftrunken. „Was redest du da?“
„Es geht wieder los“, sagte der Truchsess lakonisch.
Doch plötzlich hielt er die Luft vor Entsetzen an: Statt der Schatten näherte sich dieses Mal ein Geist in der Rüstung der Rohirrim. Der Mann war stattlich gebaut und erinnerte seltsam an Boromir. Faramir setzte sich im Bett auf.
„Éowyn, siehst du das auch?“, fragte er leise.
„Théodred, das ist Theodred“, stammelte Éowyn außer sich.
Der Geist nahm nun den Helm ab und blickte das Fürstenpaar traurig an.
„Das Pferd zeigt die Wahrheit“, sagte er geheimnisvoll.
„Was meint Ihr?“, fragte Faramir verwirrt.
Doch der Geist wiederholte nur die Worte. Auch Éowyn wusste nicht, was dies bedeuten sollte.
Der Geist machte eine rasche Handbewegung und die Runen des Schwertes hörten auf zu leuchten.
„Schlaft nun in Ruhe, so lange ihr in Edoras seid“, sagte er sanft und verschwand wieder.

Und so geschah es tatsächlich: Faramir und Éowyn verlebten erholsame Tage und konnten endlich auch nachts schlafen, weil das Schwert sich nicht rührte. Sie fanden jedoch keine neuen Hinweise zur Lösung ihres Problems. Auch die Worte Théodreds konnten sie nicht enträtseln. Der Königssohn jedoch zeigte sich nicht mehr.
Mittlerweile hatte man alle weisen Männer befragt, was die Sache mit dem Pferd bedeuten könnte, doch niemand wusste einen Rat. Faramir dachte natürlich, dass es etwas mit Hasubeorn zu tun hatte, doch wie sollte das Pferd ihm helfen?
Als eine Woche herum war, konnten sie ihre Weiterreise nach Bruchtal nicht länger aufschieben.

Gerade, als sie mit Fürst Raedwulf das letzte Frühstück vor dem Aufbruch einnahmen, kam ein junger Krieger in die Halle geeilt.
„Verzeiht die Störung, Ihr hohen Herrschaften“, sagte er ernst. „Aber man hat mir gesagt, dass Fürst Faramir und Herrin Éowyn nach einem Mann suchen, der Prinz Théodred auf seinen letzten Feldzügen begleitet hat. Ich bin der letzte Überlebende dieser Männer.“

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