Arda Fanfiction

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Der Fluch des vergessenen Schwertes

von Celebne

Millweard

Éowyn kannte den Krieger nur flüchtig, welcher nun eingetreten war. Seinen Namen wusste sie nicht. Fürst Raedwulf erhob sich erstaunt vom Tisch in der Goldenen Halle.
„Millweard, ich habe Euch lange nicht mehr gesehen“, sagte der Vertreter Éomers freundlich. „Kommt und setzt Euch zu uns! Ich habe hohe Gäste aus Gondor hier.“
Faramir erhob sich jetzt auch. Er wollte nicht, dass Fürst Raedwulf die Sache mit dem Schwert mitbekam. Millweard war auch vielleicht redseliger, wenn nur wenige Leute beim Gespräch dabei waren.
„Dürfen wir uns mit Herrn Millweard kurz zurückziehen?“, fragte Faramir den Fürsten höflich. „Wir haben mit ihm eine wichtige Sache zu klären, die sehr privat ist.“
Raedwulf blickte den Truchsess verwirrt an, nickte aber dann schließlich. Éowyn schenkte ihrem Gemahl ein dankbares Lächeln, denn ihr war es auch lieber, wenn sie alleine mit Millweard sprechen konnten.

Zur Überraschung des Fürstenpaares zog sich Raedwulf mit seinem Gefolge aus der Goldenen Halle zurück und überließ diese den Dreien zum Gespräch.
Millweard ließ sich jetzt am Tisch neben Faramir nieder und nahm seinen Helm ab. Der Truchsess war überrascht, wie jung dieser Mann noch war. Er schien noch keine fünfundzwanzig Jahre alt zu sein.
„Was möchtet Ihr von mir wissen, Herr Faramir und Frau Éowyn?“
„Wartet kurz“, sagte Faramir ernst.
Er verließ kurz die Halle und holte das Schwert, welches in das Ledertuch eingewickelt war.
Millweard schien keineswegs überrascht zu sein, als Faramir ihm das Schwert zeigte.
„Habt Ihr gesehen, wie Prinz Théodred an diese wertvolle Waffe gekommen ist?“, fragte Éowyn neugierig.
„Ja, meine Herrin“, erwiderte Millweard nachdenklich. „Das habe ich.“
Faramir blickte Éowyn überrascht an. Es sah zum ersten Mal so aus, als ob des Rätsels Lösung nahe war.

„Wir jagten Orks mit dem Wappen der Weißen Hand auf den Rüstungen“, erzählte der junge Krieger eifrig. „Es kam zur Schlacht, als sie gerade eine Stadt in der Westfold angriffen. Es handelte sich um die Stadt Borlas, nahe Isengart. Wir konnten die Stadt retten und die Orks vertreiben. Zum Dank für die Rettung schenkte der Vorsteher von Borlas, Fürst Wulfgar, dem Königssohn dieses Schwert.“
„Na also, das ist doch eine Spur“, meinte Faramir leise und ergriff Éowyns Hand.
„Fürst Wulfgar lebt aber nicht mehr“, sagte Éowyn bedrückt und senkte den Kopf. „Er fiel im Ringkrieg vor dem Schwarzen Tor.“
„Aber vielleicht leben noch irgendwelche Leute, die ihn und dieses Schwert gekannt haben“, stieß Faramir verzweifelt aus.
„Was wisst Ihr noch über dieses Schwert? Gab es irgendwelche merkwürdigen Begebenheiten, als Théodred es besaß?“, fragte Éowyn den Krieger weiter aus.
Doch Millweard schüttelte bedauernd den Kopf.
„Nein, es geschah in keinster Weise etwas besonderes. Was meint Ihr damit, Herrin?“
„Spukerscheinungen“, antwortete Faramir finster an Stelle seiner Gemahlin.

Millweard antwortete nicht, sondern betrachtete erneut das Schwert.
„Diese Runen“, sagte er erstaunt. „Sie waren noch nicht da, als Théodred das Schwert bekam. Ich kann es beschwören!“
Faramir und Éowyn blickten sich erschrocken an. Jemand hatte also nachträglich Runen in das Schwert graviert. Daher hatte das Schwert also Théodred nicht geschadet.
„Vielleicht wollte jemand auf diese Weise ein Attentat auf mich verüben“, mutmaßte Faramir düster.
„Aber das sind Zauberrunen“, erinnerte ihn Éowyn. „Ich weiß niemanden, der ein Schwert mit solch mächtigen und üblen Runen versehen kann, außer vielleicht Saruman. Aber dieser böse Zauberer ist längst vernichtet worden.“
„Ich danke Euch, Millweard“, sagte Faramir freundlich zu dem Krieger, ohne auf die Worte seiner Gemahlin näher einzugehen. „Ihr könnt jetzt gehen. Ich denke, dass Ihr uns auf jeden Fall weitergeholfen habt.“
Der Krieger blickte verwirrt zu Éowyn, dann wieder zu Faramir, und nickte dann, bevor er die Halle verließ.
„Warum hast du ihn weggeschickt?“, fragte Éowyn ein wenig empört.
„Weil es niemanden etwas angeht, wie wir weiter vorgehen werden“, raunte Faramir ihr gelassen zu. „Wir müssen vorsichtiger werden.“

Raedwulf war höchsterstaunt, als er hörte, dass das Fürstenpaar aus Ithilien noch ein wenig in Edoras bleiben wollte.
„Unsere Weiterreise eilt nicht“, erklärte Faramir dem Stellvertreter Éomers lächelnd. „Wir haben beschlossen, hier noch einige schöne Tage zu verleben.“
Éowyn nickte bekräftigend, obwohl sie noch nicht genau wusste, was Faramir nun plante.

Als sich das Paar später alleine in den Gastgemächern befand, rückte Faramir endlich mit der Sprache richtig heraus.
„Vielleicht müssen wir gar nicht mehr nach Bruchtal reisen“, erklärte der Fürst von Ithilien nachdenklich. „Ich denke, dass der Übeltäter hier in Rohan, oder gar in Edoras sitzt.“
Éowyn fühlte sich unbehaglich und sie lief finster in dem halbdunklen Gemach auf und ab.
„Das ist eine schwere Anschuldigung, Faramir“, sagte sie aufgebracht. „Glaubst du wirklich, dass einer meiner Landsleute dich umbringen will?“
„Es muss kein Rohir sein“, erwiderte Faramir gefasst und lehnte sich auf dem Polsterstuhl zurück. „Ein Schüler Sarumans – ähnlich wie dieser Gríma. Vielleicht wollte dieser Schurke auch nicht mich umbringen, sondern deinen Bruder. Mich würde brennend interessieren, wie Éomer auf die Truhe Théodreds gestoßen ist. Es könnte ja sein, dass ihn jemand darauf aufmerksam gemacht hat. Zu dumm nur für den Übeltäter, dass Éomer das Schwert nicht behalten hatte.“
„Aber Éomer hatte bestimmt während der Reise nach Ithilien keinen Ärger mit dem Schwert“, gab Éowyn zu bedenken. „Wenn er gemerkt hätte, dass die Runen verflucht sind, hätte er dir die Waffe niemals gegeben.“
„Ich frage mich, ob Norfric mit der Sache zu tun hatte“, überlegte Faramir laut. „Warum nur hat er plötzlich im Tode ein schlechtes Gewissen und möchte mir etwas mitteilen?“
„Norfric war nicht immer freundlich zu dir gewesen“, sagte Éowyn vorsichtig. „Vielleicht lässt ihn das nicht in Frieden ruhen.“
„Nein, Norfric hat etwas mit dem Schwert zu tun“, sagte Faramir kopfschüttelnd.

Sie beschlossen, Éomers Freundeskreis zu befragen. Als das Fürstenpaar am Nachmittag das Gebäude hinter der Meduselde verließ, kreiste ein kleiner Schwarm Krähen über der Stadt. Ihr Gekrächze war weit zu hören.
„Lästig, diese Vögel“, bemerkte Faramir mürrisch und blickte zum Himmel empor.
„Das sind keine gewöhnlichen Krähen“, sagte Éowyn erschrocken. „Das sind Crebain aus Dunland. Früher waren sie die Kundschafter Sarumans. Lange habe ich diese schwarzen Vorboten des Unglücks hier in Edoras nicht mehr gesehen.“
Faramir beobachtete die Crebain noch eine Weile. Irgendwann hörte der Schwarm auf zu kreisen und flog Richtung Norden davon. Éowyn wickelte ihren Mantel fester um sich. Sie schien zu frieren.
„Lass uns zu Aldwyne gehen“, meinte sie leise. „Er ist der beste Freund meines Bruders.“

Aldwyne war ein angesehener Hauptmann in Rohan. Er hatte mit Éomer oft Seite an Seite gekämpft und die beiden hatten sich schon einige Male gegenseitig im Kampf das Leben gerettet. Aldwyne lebte in einem kleinen Haus am Rande von Edoras. Er hatte kurz nach dem Ringkrieg geheiratet und war bereits Vater zweier Töchter.
Der junge Hauptmann war ein großer, kräftiger Mann, ähnlich wie Éomer. Seine Haare waren hellbraun und hingen in langen Locken über seine Schultern. Als er das Fürstenpaar erblickte, stutzte er, denn mit solch hohem Besuch hatte er nicht gerechnet. Éowyn kannte er eigentlich nur flüchtig. Während er sich mit Éomer hauptsächlich bei den Soldaten herumgetrieben hatte, war Éowyn immer in der Goldenen Halle geblieben und hatte ihren erkrankten Onkel gepflegt.
„Sei gegrüßt, Aldwyne“, rief ihm Éowyn nun lächelnd zu und hob die Hand. „Ist es erlaubt, dass wir dir einen Besuch abstatten?“
„Aber natürlich“, sagte der Hauptmann erstaunt. „Kommt in mein Haus. Ihr sollt meine Gäste sein.“
Er nickte Faramir freundlich zu und bat das Paar in sein Haus.

Wie die meisten Häuser in Rohan bestand auch dieses aus einem einzigen Wohnraum. Hier wurde gekocht, gegessen und geschlafen. Der Schlafbereich war durch einen großen Vorhang vom Wohnbereich abgetrennt. Eine junge Frau stand am Ofen und bereitete gerade eine Suppe zu. Auf dem festen Lehmboden krabbelte ein Kleinkind herum und krähte fröhlich vor sich hin.
Aldwyne bot seinen Gästen Platz auf einer einfachen Holzbank an.
„Wir wollten Euch etwas fragen“, begann Faramir sofort zu sprechen.
Er legte bekräftigend das Schwert mitsamt der neuen Lederscheide, die man ihn in den letzten Tagen angefertigt hatte auf den Tisch. Aldwyne nickte, als er das Schwert sah. Er schien es zu kennen.
„Es ist ein gutes Schwert“, sagte er bewundernd. „Éomer wollte es Euch zum Geburtstag schenken, Faramir.“
„Warst du dabei, als Éomer es in Théodreds Truhe fand?“, wollte Éowyn neugierig von Aldwyne wissen.
„Nein“, meinte dieser mit schiefem Lächeln. „Aber er hat es mir gezeigt, bevor er nach Gondor aufbrach. Ist etwas damit?“
Faramir zog das Schwert nun aus der Scheide.
„Habt Ihr die Runen auf dem Schwert auch gesehen?“
Die Runen schimmerten leicht im Sonnenlicht, das durch das kleine Fenster in den Raum fiel.

In diesem Moment drehte sich die junge Frau zu ihnen herum und ließ den Suppenkessel vor Schreck fallen, als sie das Schwert erblickte. Es gab ein ohrenbetäubendes Geräusch, als der Kessel zu Boden polterte und die heiße Suppe dort verteilte. Éowyn konnte gerade noch das Kleinkind emporreißen, bevor es sich an der kochenden Flüssigkeit verbrühte.

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